Archiv für den Monat: Juni 2013

Hoffst du noch oder erwartest du schon – Gemeindeentwicklung von der Basis

Damals, bei unserm Neuanfang, hätte niemand gedacht, dass die kleine, ja nur erzählte Geschichte unser Gemeindeleben (s. ‚Nachfolgen‘, 1/2013) so sehr prägen würde: eine alte Frau, leid- und lebenserfahren, ging Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst. Am Mittagstisch der Großfamilie wurde sie gefragt: Großmutter, wie war es im Gottesdienst? Zögernd, enttäuscht sagte sie: „… wieder kein Evangelium …“ und stampfte mit ihrem Stock auf den Fußboden im Wohnzimmer. Ihre etwas trotzige Stimme verebbte im Duft des profanen Sonntags.

EKHN: Trauung und Segnung weitgehend gleich gestellt

Die Synode in der EKHN hat ihre neue Lebensordnung verabschiedet. Neu darin: die Trauung und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sind weitgehend gleich gestellt.

Theologische Grundlage ist die Sexualität als Teil der Schöpfung. Damit ist auch die Homosexualität als Teil der Schöpfung gut. Zu dem werden die Verurteilungen aus dem altem Testament als kulturell geprägte antike Ansichten verworfen. Auf gesellschaftlicher Ebene hat sich die Akzeptanz neuer Partnermodelle verstärkt. Mit dieser Grundlage ist es nun möglich die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften der Trauung fast gleich zu stellen. Auch die Segnung darf auf Wunsch des Paares im Kirchenbuch verzeichnet und beurkundet werden.

 

Dennoch wird es Kirchenvorständen und einzelnen PfarrerInnen erlaubt gleichgeschlechtliche Segnungen nicht durchzuführen. Dann sollen sie aber, aber in einem geschwisterlichen Dialog nach weiter nach einer einheitlichen Lösung suchen. Der oder die Dekanin sucht dann eine Gemeinde oder PfarrerIn, die zu der Segnung bereit sind.

 

Obwohl Trauung und Segnung nun in einem Abschnitt der Lebensordnung stehen, werden weiterhin unterschiedliche Begriffe verwendet. Die Gleichstellung ist also noch nicht vollzogen.

Freie Dienstleistungspastoren – ein positives Signal oder eine Bedrohung für die Kirche ?

Wer sich für die Hochzeit ungewöhnliche Orte außerhalb der Kirche aussucht, hat häufig Mühe, einen Pfarrer für die Trauung zu finden. Viele suchen sich daher freie Redner wie Mickey Wiese. – Ein Interview bei jesus.de.

Kommentar: Es geht hier wohl weniger um die Frage des „Event-Pastors“, der im Titel des Interviews angekündigt wird. Es gibt genügend Pfarrerinnen und Pfarrer in kirchlichen Diensten, die Taufen oder Trauungen im Wald, auf der Heide, am Fluss, im See durchführen. Und es gibt ernst zu nehmende an der Kirche interessierte Zeitgenossen, die die Kirche vor zu viel Event warnen, wie Weltklassetrainer Holger Geschwindner im Interview im Deutschen Pfarrerblatt. Insofern setzt die Überschrift ein falsches Signal. Im Kern geht es doch darum, dass sich Kirche im Gefolge von „Kirche der Freiheit“ mehr und mehr auf pastorale Dienstleistung reduzierend. Gleichzeitig werden die Arbeitsbedingungen ihrer professionellen Mitarbeiter anhaltend einengt und verschlechtert. PastorInnen gehen

1. in die äußere Emigration.

So wollen immer mehr deutsche Theologen in der Schweiz Pfarrer werden und man fragt dort mittlerweile: „Was tun? Sie aufnehmen? Oder ist das Kirchenschiff schon voll?“

2. in die innere Emigration (das zahlenmäßig am häufigsten anzutreffende Phänomen)

3. sie machen sich beruflich selbständig.

Wenn sie sich selbständig machen, dann haben sie im Wettbewerb auf dem „Markt“ der kirchlichen Dienstleistungen klare Vorteile: 1. sie können – ohne den kirchlichen Apparat mitfinanzieren zu müssen – unvergleichlich günstiger anbieten und dabei immer noch mehr verdienen 2. sie werden vermutlich bessere Dienstleistungen erbringen. Das dürfte sich empirisch aus der Tatsache ergeben, dass den Schritt in die Selbständigkeit nur diejenigen gehen werden, die im Bereich der „Dienstleistungen“ einen Schwerpunkt der Arbeit setzen und schon hinreichend positives feed-back bekamen. Der Weg in die Dienstleistungskirche wird also der Kirche à la longue sicher schaden. Aber die Kirche erntet dann die Früchte, die sie selbst mit Wettbewerbsorientierung und Markt gesät hat.

Friedhelm Schneider

Sonntagsöffnung war rechtswidrig

In Darmstadt schritt wegen der Sonntagsöffnung an Palmsonntag in eine Allianz gegen die Ladenöffnung ein. Vor dem Verwaltungsgericht bekam die Allianz jetzt gegen die Stadt Darmstadt recht. (FR 14.06.13, S. R5). Die Allianz hatte von Anfang an auf entsprechende, ähnlich gelagerte Urteile verwiesen:

Sollte die Stadtverwaltung Darmstadt also den verkaufsoffenen Palmsonntag selbst zum Anlass eines Ostermarktes machen wollen, so mag das für manche Shopper/innen durchaus nachvollziehbar zu sein, doch verstößt dies gegen das Hessische Ladenöffnungsgesetz. Die Allianz kann sich mit ihrer ablehnenden Haltung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 9. Oktober 2012 stützen, durch welche die Sonntagsöffnungen Stadtteilsonntag am 2. September und Welcome Winter am 4. November 2012 in Frankfurt als eindeutig rechtswidrig erklärt wurde.“ Informationen der SonntagsAllianz.

Der Missbrauchskandal ist mit dem Umgang mit Macht in der Kirche verbunden.

Klaus Mertes war als Rektor des Berliner Canisius Kollegs maßgeblich an dem Bekanntwerden der zahlreichen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche beteiligt. Später wurde er ein Anwalt der Opfer.

 

Nun erschienen in der Zeit erste Auszüge seines neuen Buches „Verlorenes Vertrauen – Katholisch sein in der Krise“. Der Jesuit Mertes kommt dabei zu für katholsiche Verhältnisse fast revolutionären Ansätzen. So wirft er seiner Kirche vor in Fragen der Sexualität das Liebesgebot verloren zu haben. Der Umgang mit Geschiedenen oder Frauen, die eine Abtreibung durchgeführt haben sei oft unbarmherzig.

Die Schlüsselfrage für den Umgang mit sexualisierter Gewalt ist für Mertes der „Umgang mit der Macht in der Kirche“.

Lesen sie hier den ganzen Auszug bei Zeit-Online.

Islamische Ahmadiyya-Vereinigung erstmals Körperschaft öffentlichen Rechts

Der Islam gehört zu Hessen: Als erstes Bundesland hat die Landesregierung in Wiesbaden eine muslimische Gemeinschaft rechtlich auf eine Stufe mit den Kirchen gestellt. Damit könnte die Ahmadiyya-Gemeinde künftig eigene Steuern erheben. zum Artikel im Spiegel.

 

Schon im Jahr 2012 hatten den Körperschaftsstatus erhalten:

Bahaí erstreiten in Hessen Körperschaftsstatus

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass das hessische Kultusministerium der Bahá‘í-Gemeinde in Hessen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gewähren muss (BVerwG 6 C 8.12, Urteil vom 28. November 2012). Das Urteil ist insofern beachtenswert, weil es mit der bisherigen Auslegungstradition der Weimarer Reichsverfassung bricht, der zufolge ein Promille der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes zu der betreffenden Religionsgemeinschaft gehören müssen. Unter Verweis auf die Zahlenverhältnisse (ca. 950 Mitglieder in Hessen statt der benötigten 6089) hatte das Kultusministerium den Antrag zunächst abgelehnt.

Lesen Sie mehr.

Verwaltungsgericht Mainz: Körperschaftsstatus für Zeugen Jehovas in Rheinland-Pfalz

Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz (RP) hatte versucht, unter Verweis auf das Schicksal ehemaliger Mitglieder und das mangelnde Engagement der Zeugen Jehovas für das Gemeinwohl die Verleihung des Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verhindern. Doch diese Argumente ließ das Verwaltungsgericht (VG) in Mainz nicht gelten und verurteilte am 26. 1. 2012 die Landesregierung dazu, den Zeugen Jehovas in Rheinland Pfalz den Körperschaftsstatus zu gewähren (AZ: 1 K 144/11.MZ). Die Landesregierung wollte erreichen, dass das Gericht sich mit den Aussagen ehemaliger Mitglieder befasst. Das war während des gesamten über zehnjährigen Prozesses nicht geschehen. Das Gericht hielt aber eine weitere Beweiserhebung nicht für erforderlich. Es argumentierte, dass die vorliegenden Unterlagen belegen würden, dass die Zeugen Jehovas fundamentale Verfassungsprinzipien beachten und einhalten.

Das für Religionsangelegenheiten zuständige Bildungs- und Kulturministerium prüft noch, ob es einen Antrag auf Zulassung der Berufung einlegen wird. Mehr.

 

Die Internationale Energieagentur IEA warnt: Noch fünf Jahre um Emissionen zu stoppen

Die Internationale Energieagentur (International Energy Agency -IEA) ist nicht dafür bekannt Panik zu verbreiten und wurde sogar schon manchmal dafür kritisiert zu optimistisch zu sein. Jetzt warnt sie aber in ihrem Bericht, dass die Welt ohne zügige Maßnahmen innerhalb der nächsten 5 Jahre in solch eine Abhängigkeit von Energiequellen mit hoher Emissionsrate verfallen wird, dass das Klima sich weit über die 2 Grad Celsius hinaus ändern wird welche von vielen Wissenschaftlern und Regierungsvertretern als ‚sicher’ empfunden werden.

Zum Artikel.

Globale CO2-Werte auf historischem Höchststand

10. Mai 2013: Die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre hat nach Angaben der US-Wetterbehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und des Forschungszentrums Scripps Institution of Oceanography San Diego einen historischen Höchststand erreicht. Auf der Messstation Mauna Loa auf Hawaii registrierten die Forscher am 9. Mai durchschnittliche CO2-Werte von mehr als 400 ppm (Teilchen pro Million). Der vorindustrielle Wert im 19. Jahrhundert lag bei 280 ppm. Mehr.

Scheindebatten um „Herr Professorin“

Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel. Eine Begleiteigenschaft dieses Wandels ist, das sich einige dadurch auch bedroht fühlen. Auf Dinge, die man nicht versteht, reagieren viele dann mit einem aggressivem Beißreflex.

Viele Männer habe ihre Probleme mit dem Feminismus. Ich vermute in einigen Teilen liegt das daran, das viele Männer die Zeit während der Feminismus Fortschritte erkämpft hat nicht genutzt haben um ihre Situation entsprechend zu reflektieren.

Schon in meinem erstem Semester in Marburg wurde ich als Mann überzeugter Feminist. Das auch im eigenem Interesse.

 

Immer wieder, wenn ich meine Ansichten offenbare, dann stoße ich auf Unverständnis. Im besten Fall bekommt ich die Rückfrage, ob man als Mann eigentlich auch Anhänger des Feminismus sein könne. Aber im größten Teil aller Fälle offenbaren mir vorwiegend Männer, das sie ein Problem mit dem Feminismus haben. Angeführtes Argument ist das der Eingriff in die Sprache. Man könne sich nicht mit der Einführung femininer Formen arrangieren oder haben Leseprobleme mit dem Binnen-I.

Auffällig ist, das fast jeder und selten auch Frauen, die sich gegen den Feminismus aussprechen keine weitere Kenntnis über das was sie ablehnen haben. Es reicht schon das eine Argument um sich nicht mit einem pluralen Anliegen auseinander zu setzen. Denn dieses eine Argument scheint innerhalb der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert zu sein. So werden FeministInnen auf die Verwendung femininer Formen oder dem Binnen-I reduziert. Aus meiner Sicht ist das eine clevere Taktik um sich nicht mit einer Vielzahl von stichhaltigen Argumenten auseinander setzen zu wollen. Man(n) kann einfach alles mit einer subjektiven Entscheidung über das Sprachempfinden ablehnen.

Du Universität Leipzig hat sich eine neue Grundordnung gegeben. Die AutorInnen dieser Grundordnung haben das gemacht, was man uns Studierenden im erstem Semester bei gebracht hat. Sprache ist immer etwas über das man sich Gedanken machen sollte. Denn Sprache konstruiert auch immer eine Wirklichkeit. Vor allem trifft das auf die Verwendung von grammatikalisch männlichen oder weiblichen Formen oder auch das Binnen-I in allen seinen Schreibweisen zu. Bei der Abfassung der neuen Grundordnung entschied sich die Universität Leipzig durchgehend die weibliche Form zu nutzen. Damit ersetzten sie das Binnen-I in der Schrägstrichvariante. Gleichzeitig merkt die Grundordnung auch an, das sich beiderlei Geschlecht gleichermaßen angesprochen fühlen sollen.

Doch nun begann in den letzten Wochen eine Schnitzeljagd eine plakative Ente Schlagzeile abzuschreiben. Das Bildblog berichtete darüber sogar zwei mal. Bei Zeitungen und sogar im Fernsehen leitete man aus dem generischem Feminin ab nun seien Professoren mit „Herr Professorin“ anzusprechen. Die Meldung wurde nun ohne Überprüfung der Tatsachen munter abgeschrieben.

Zur Überprüfung bestand kein Anlass. Denn wie alle Welt weiß sind FeministInnen bekloppt und Merkmal des Feminismus sind unpopuläre Sprachschöpfungen. Daher muss für so viele JournalistInnen der Fall klar gewesen sein. So klar, das die Vorurteile der patriachalen Meinungsmehrheit bestätigt.

Studie über Soziale Dienste: Beschäftigte zwischen Kostendruck und Anspruch an ihre Arbeit

Ob Pflege, Jugendhilfe oder Kindertagesbetreuung: Die sozialen Dienste leiden unter knappen Mitteln und wachsenden Aufgaben. Beschäftigte bringt das regelmäßig an die Grenze ihrer Belastbarkeit, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Vor allem in Pflegeberufen könnten schlechte Arbeitsbedingungen einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel verschärfen.

Mehr als drei Millionen Menschen arbeiten laut Statistischem Bundesamt in Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufen. Die Branchen, in denen sie tätig sind, stehen unter dem Druck einer zunehmenden Ökonomisierung: In den sozialen Diensten setze sich mehr und mehr eine Markt- und Wettbewerbslogik durch, schreiben Dr. Volker Hielscher, Lukas Nock, Sabine Kirchen-Peters und Kerstin Blass. Zur Studie.

«Wir glauben, dass Teile dieser Materialien die geschriebene Geschichte widerlegen» – Alfred Rosenbergs Tagebücher

Am 16. Oktober 1946 wurde Alfred Rosenberg in Nürnberg hingerichtet. Er blieb bis zuletzt überzeugter Anhänger einer mörderischen Weltanschauung, die er selbst in Worten und Untaten mitgeprägt hatte. Sein 1930 erschienenes Buch «Der Mythus des 20. Jahrhunderts» erreichte eine Millionenauflage. Nun sind in den Vereinigten Staaten Tagebücher von «Hitlers Weltanschauungschef», wie ihn die Anklage nannte, aufgefunden worden. Sie galten nach den Nürnberger Prozessen als verschollen; möglicherweise hatte sie der stellvertretende Chefankläger, Robert Kempner, an sich genommen. Offenbar verspricht man sich neue Erkenntnisse nicht geringen Ausmasses: «Wir glauben, dass Teile dieser Materialien die geschriebene Geschichte widerlegen», gab der Archivar Henry Mayer vom Holocaust-Museum zu Protokoll, ohne allerdings Näheres zu verraten. zum Artikel