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Was die Kirche vom Fernsehn lernen kann I: Qualität kostet Geld

Das Fernsehen vereint momentan extreme Gegensätze, die nebeneinander existieren. Biedere Konzepte, die sich in Dauerschleifen wiederholen und kreative, mitreißende, neue Stoffe. Auf der einen Seite kaputtgesparter Diletantismus und auf der anderen große Investitionen mit hoher Qualität.

Es gibt strukturelle Gründe warum sich das Fernsehen parallel unterschiedlich entwickelt. Dabei lassen sich interessante Parallelen zur Lage der Kirche ziehen. Es zeigt sich die Kirche hat die Wahl welchen Kurs sie einschlägt. Es lohnt sich daher das Fernsehprogramm genauer zu betrachten.

In einer Serie werde ich 9 Thesen zur Zukunft von Kirche und Fernsehen besprechen.

  1. Qualität kostet Geld
  2. Die Quote ist eine Form der Geiselhaft
  3. Man muss seinem Produkt vertrauen
  4. Gebt den Kreativen die Macht
  5. Es gibt eine Sehnsucht nach großen Erzählungen
  6. Die feste Programmierung ist ambivalent
  7. Erfolg ist da, wo man ihn nicht sucht
  8. Wer seine Kunden/Gemeinde kennt hat Erfolg
  9. Versprechen Sie keine Wunder

Qualität kostet Geld

In Europa scheint es eine Antwort auf die überall grassierende Krise zu geben: Sparen. Doch der Sparreflex führt noch tiefer in eine Krise hinein.

Auch das Fernsehen in Deutschland leidet unter den Nachwirkungen der Bankenkrise. Die Werbeeinahnen für die privaten Sender gingen zurück. Die Sendechefs fanden eine Lösung nach europäischer Manier. Das Programm musste so billig werden, dass selbst bei sinkenden Werbeeinahnen keine Verluste entstehen. Gespart wird vor allem an der Qualität. So verzichtet das Fernsehen auf früher selbstverständliche Handwerker im Produktionsprozess. Statt SchauspielerInnen treten Laien auf und Berufsgruppen wie Beleuchter, Tontechniker und Requisiteure sind nicht eingebunden. Das Produkt ist eine Mischung aus Dilettantismus und Überdramatisierung, die ich keine zehn Minuten ertrage.

Das Fernsehen verkauft es als lebensnaher und freut sich, dass jede Werbung die Produktionskosten trägt. Das Zuschauer seit Jahren fern bleiben, erklären die Programmchefs mit den geänderten Sehgewohnheiten und dem Internet.

Ein zweites Problem ist durch die Struktur gegeben. Es geht nicht mehr um die Quote oder den Marktanteil, sondern um die Rendite. Das wirtschaftliche Denken ist extrem kurzfristig veranlagt. Die Gewinnerwartung von heute ist wichtiger als die Kundenbasis von morgen. Die große Mehrheit der privaten Fernsehsender gehören Investoren, die wollen von fast jedem Programmplatz etwa 15% Rendite erwarten. Im Jahr kommen gut 300 Millionen zusammen, die dem Fernsehen entzogen werden.

In den USA hat sich zum Glück seit längerem ein alternatives System etabliert. Dort hat das Bezahlfernsehen einen wesentlich größeren Marktanteil. Zuschauer zahlen monatlich einen Betrag bekommen im Gegenzug werbefrei ihre Serien und Filme geliefert. Wer dort seine ZuschauerInnen mit niedriger Qualität vergrault, schadet sich kurz und langfristig. Alleine damit Menschen sich entscheiden für Fernsehunterhaltung freiwillig zu zahlen, muss das Programm unterhaltsamer sein als die kostenlose Konkurrenz. Gleichzeitig ist der Weg zu höheren Renditen zur Zeit die Expansion. Mehr ZuschauerInnen bedeuten mehr Einnahmen. Doch die werden nur ein Abonnement abschließen, wenn die Produkte qualitativ überzeugen.

Die Bezahlsender in den USA haben daher keine Alternative zu spannender und hochwertiger Unterhaltung. Und man hat verstanden, dass sich dieses Ziel nur mit einem entsprechendem Aufwand erreichen lässt. Eine Staffel der viel gelobten Serien kostet um die 100 Millionen Dollar. Eine einzelne Folge spielt finanziell in einer Liga mit unserem Tatort.

Der Erfolg gibt diesem Modell Recht. Viele Serien können ihre Investitionskosten wieder einspielen und werden in den KritikerInnen gelobt.

Natürlich gibt es mehrere Faktoren, die den Erfolg vieler neuen Dramaserien erklären. Aber die Qualität ist ein bedeutender Anteil.

Für die Kirche lässt sich auch schon aus den finanziellen Aspekten lernen. Sparprogramme, die an der Qualität ansetzen führen zu einer schlechteren Bindung der Kunden. Dieses erkrankte System kann sich eine Weile lang dennoch durch seine marktbeherrschende Struktur durchsetzen. Die wachsende Masse der Unzufriedenen birgt dann aber ein hohes Wechselpotential. Im Fernsehen zeigt sich das schon lange am Erfolg von Streamingdiensten, wie Netflix, Maxdome oder Amazone Prime. Die Momentanen Einsparungen für die Pensionsfonds saugen an vielen Orten benötigtes Geld aus dem System. Natürlich muss auch für die Pensionsansprüche vorgesorgt werden. Die Landeskirchen drohen nicht nur Verluste bei Mitgliedern mit geringer Kirchenbindung. Auch die bisher stark mit der Kirche verbundenen können mit entsprechender Enttäuschung zu dem Heer der Wechselwilligen wachsen. Schon jetzt sind evangelikale eine ernstzunehmende Alternative. Rhetorisch gut geschulte Prediger, eigene Bands und hervorragend geplante Events wirken auf viele ChristInnen anziehend. Zeit und Persönliche Ansprache bewegen viele dafür freiwillig mehr als nur die Kirchensteuer zu investieren.

Der Ansatz der Bezahlsender lässt sich nicht auf die ganze Kirche übertragen. Das Potential der unzufriedenen Engagierten kann dennoch konstruktiv genutzt werden. Dazu muss aber den kleinsten Einheiten den Gemeinden mehr Autonomie zugestanden werden. Investitionen in Qualität und Angebote müssen für die Interessierten ermöglicht werden.

Dagegen kann man einwenden, dass es zu einer Zweiklassenkirche führt, in der Leistungen gegen Geld oder Zeit erbracht werden. Doch streng genommen gibt es schon immer eine solche Spaltung. Einige ChristInnen nehmen schon jetzt nur die Kasualien und wenige Festgottesdienste in Anspruch, während andere mehr Angebote wahrnehmen.

Wichtig ist, dass es keine absolute Bezahlschranke geben darf. Zusätzlich ermöglichte Leistungen dürfen keine Exklusivität werden. Das einzige Kriterium für eine Bezahlkirche muss sein, dass es auch der Allgemeinheit zu Gute kommt. Genau wie das Bezahlfernsehen neue Impulse setzen kann und damit allen anderen Programmen zu gute kommt, muss auch die Kirche es verstehen die Arbeitsergebnisse zu demokratisieren.

Gleichzeitig muss die Kirche sich auf die Qualität ihrer Arbeit konzentrieren. Die Kirchensteuern nehmen fünf Milliarden ein. Damit lassen sich unsere Landeskirchen mehr mit den öffentlich Rechtlichen, als mit Privatfernsehsendern vergleichen. Beide haben einen Auftrag, der die allgemeine Finanzierung rechtfertigt. ARD, ZDF und die Dritten sollen ein ausgewogenes Programm mit Unterhaltung und Information für alle bereitstellen. Der Auftrag der Kirche ist es zu verkündigen. Diese Basisleistungen müssen qualitativ gut abgedeckt werden. Sonst ziehen Kirche und öffentlich rechtliche sich die Grundlage ihrer allgemeinen Abgabe unter den Füßen weg.

Wenn ich im Kino oder bei einem Bezahlsender gerne für Filme bezahle, dann ist es weil ich ein gutes zusätzliches Angebot wahrnehme und unterstütze. Viele tolle Filme werden nur dann prouziert, wenn sie im Kino, Fernsehen oder Internet auch Personen finden, die bereit sind dafür zu bezahlen. Diese Plattformen sind wichtig zur Entwicklung neuer Ideen und Konzepte. Es ist nur schade, wenn sie dann das große Fernsehen nicht übernehmen will.

Auch in der Kirche gäbe es Räume um mit qualitativen Innovationen zu experimentieren. Wenn eine Gemeinde die Ressourcen und die Ideen hat, sollte sie damit experimentieren können. Neue Formen der Verkündigung, der Gemeinschaftspflege, der Öffentlichkeitsarbeit werden ausprobiert. Laden Sie nur alle dazu ein und das wichtigste: Teilen Sie die Erfahrungen und Impulse mit den anderen Gemeinden. Kulturell erschaffene Werte wachsen, wenn man sie teilt!

Wenn Sie sich mit dem Thema Fernsehen etwas befasst haben, werden Sie feststellen, dass meine Argumentation die öffentlich rechtlichenaußen vorlässt. Hier gibt es trotz Krise kein Problem mit der Finanzierung. Der Rundfunkbeitrag erwirtschaftet etwa 7,5 Milliarden €. Dennoch gibt es auch viel Schrott. Darauf und was die Kirche lernen kann gehe ich nächste Woche in „Die Gefangenschaft der Quote“ ein.

Worauf man sich in der Kirche mit der Doppik/ NKF einstellen muss.

Die Umstellung eines Haushaltssystems hat Tücken. Daher erzähle ich von meinen Erfahrungen. 2008 hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt ihren Haushalt auf die Doppik umgestellt. Zwei Argumente sprechen aus der Sicht der Politik für die Doppik. Der neue doppische Haushalt soll transparenter sein und es lässt sich genauer erkennen, ob das Vermögen der Stadt wächst oder schrumpft.

Der erste Eindruck war ernüchternd. Alleine der Umfang des Haushalts wuchs von einigen hundert Seiten in die Tausende. Auch verwenden die KämmerInnen keine eindeutigen Namen für die Positionen sondern Nummerncodes. Das erste Ergebnis ist, dass den neuen „transparenten“ Haushalts nur noch die Kämmerei lesen kann. KämmerInnen wurde zu den Sitzungen der Fachausschüsse hinzu gezogen. Doch oftmals fanden sie zu Beginn selber die gewünschten Informationen nicht zeitnah. Teilweise dauerte es Tage, bis die Kämmerei genaue Auskunft über die vorgesehenen Gelder machen konnte. In wenigen Fällen passierte es sogar, dass eingeplante Budgets nicht für ihren Zweck eingesetzt wurden, da niemand mehr wusste, dass sie existieren. Das Ziel einen transparenten Haushalt zu präsentieren ist aus Sicht der BürgerInnen gescheitert. Selbst der Oberbürgermeister gab bei der Vorstellung des ersten doppischen Haushalts zu, dass dieses Ziel nicht erreicht ist.

Die zweite Erfahrung mit einem betriebswirtschaftlichen Haushalts kann ich besser nachvollziehen. Der Jugendring Darmstadt lagerte die Abrechnung an eine Kanzlei aus. Die Kanzlei führt eine Vermögensbilanz, wie sie steuerrechtlich üblich ist. Das System ähnelt in vielen Ansätzen der Doppik. Auch hier ergeben sich Probleme, mit der transparenz. Früher war es üblich die eigene Buchführung nach Projekten zu gliedern. Damit ist auf einen Blick ersichtlich was für einzelne Veranstaltungen ausgegeben wird. Standartmäßig ist das in der Vermögensbillanz nicht üblich. Daher kontieren wir alle Rechnungen doppelt. Einmal für die Vermögensaufstellung und ein zweites mal nach Projekten sortiert.

Die Präsentation des ersten neuen Haushalts hielt für viele Mitglieder eine Überraschung parat: Je mehr wir unserem Vereinsziel entsprechen um weniger Vermögen wird aufgebaut. Um das Problem zu verstehen, gehe ich auf die Details der Buchführung ein. Investitionen in Sachmittel werden sofort wieder verrechnet. Wenn wir uns zum Beispiel für 1000€ Stühle anschaffen, haben wir sofort 1000€ von unserem Konto abgebucht. Gleichzeitig besitzen wir Stühle im Wert von 1000€, die als Vermögen aufgeführt werden. Im Haushalt haben wir kein Geld verloren. Nun gehen wir davon aus, dass die Stühle zehn Jahre halten, bis wir in neue Stühle investieren. Daher wird jedes Jahr ein Zehntel der Stühle abgeschrieben. In meinem Haushalt erscheinen die Stühle zehn Jahre lang mit -100€. Macht der Jugendring eine Veranstaltung zur politischen Bildung (was seinen Vereinszielen entspricht) werden die 1000€ sofort als Ausgabe berechnet. Die Delegierten mussten lernen mit dem neuem System zu denken. Ziel des Haushalts ist es als gemeinnütziger Verein nicht am Ende des Jahres viel Vermögen anzuhäufen, sondern im Idealfall viel für seine Vereinszwecke auszugeben. Steuerrechtlich dient die Vermögensaufstellung auch genau dazu. Ein Gemeinnütziger Verein soll kein Vermögen aufbauen. Der erste Impuls, ist das Gegenteil. Jeder denkt zuerst, dass der Vermögensaufbau als Selbstzweck gut sei.

Aus den Erfahrungen will ich Ihnen Tipps geben, wenn Sie in der Synode einen doppischen Haushalt präsentiert bekommen:

Oft ist mangelnde Transparenz ein Nebenprodukt der Doppik. Das ist kein Naturgesetz. Mit Aufwand lässt sich ein doppischer Haushalt für viele lesbar gestalten. Die Stadt Köln macht das mit einem Bürgerhaushalt vor. Setzen Sie die Kirchenverwaltung unter Druck einen lesbaren Haushalt zu präsentieren.
Ein Aufbau von Vermögen zieht Geld von den Kernaufgaben der Kirche ab. Alles Geld, das für Verkündigung, Seelsorge und Barmherziges ausgegeben wird häuft kein Vermögen an. Es wird sofort abgeschrieben. Wenn jedoch Vermögen aufgebaut wird, fragen Sie zu welchem Zweck.
Die Eröffnungsbilanz muss besonders kritisch betrachtet werden. Im erstem Jahr muss für alles Eigentum ein Preis festgesetzt und eine Abschreibungsrate für die Wertminderung ermittelt werden. Das betrifft fast alles, Immobilien, Fuhrpark, Orgeln, Rücklagen … . Bei vielem wird es schwer sein Preisschilder und Prognosen zu treffen. Doch hier werden wichtige Entscheidungen für alle folgenden Haushalte getroffen. Daher sollte die Kirchenverwaltung den Prozess offen kommunizieren.
Der Verlust von Vermögen muss nicht schlecht sein. Der Wertverlust einer Orgel muss kein Grund zur Sorge sein, wenn Sie planen die Orgel durch eine elektronische zu ersetzen. Oder lieber gleich eine Kirchenband statt Orgel verwenden wollen. Oder stellen Sie sich vor ihr Dekanat trennt sich von einem nicht mehr genutztem Gebäude und steckt den Erlös in die Jugendarbeit. Auch wenn der Haushalt anzeigt, dass Vermögen abgebaut wird, muss das kein Grund zur Sorge sein.
Der abzueschreibende Wert entspricht nicht dem Funktionswert. Um beim Beispiel meiner Stühle zu bleiben. Wenn meine Stühle in zehn Jahren abgeschrieben sind, haben sie keinen Vermögenswert mehr. Hoffentlich kann ich sie aber weiterhin benutzen. Ihr Funktionswert bleibt erhalten.
Suchen Sie Tendenzen aus dem Eröffnungsbilanz. Wenn das Vermögen steigt oder sinkt kann das an der Eröffnungsbilanz liegen. Wahrscheinlich wird ein großer Teil des Kirchenvermögens (vor allem Immobilien) mit einem hohem Wert und einem starken Wertverfall geschätzt. Dann verlieren Sie durch die Immobilien so viel Vermögen, dass Sie es nicht an anderer Stelle erwirtschaften können. Das andere Extrem wäre die Immobilien wegen des Alters niedrig zu bewerten und den Wertverfall als kaum existent anzusehen. Dann führt jede Renovierung zu einem Vermögensaufbau.
Und noch einmal, weil es wichtig ist: Es ist nicht Ihr Ziel Vermögen aufzubauen. Personalkosten erscheinen in der Vermögensbilanz als böse, weil sie sofort Geld wegnehmen. Investitionen erscheinen als gut, weil sie Vermögen aufbauen und langfristig abgeschrieben werden. Als Synode sorgen Sie dafür, dass Kirche ihren Aufgaben Verkündigung, Seelsorge und Diakonie nachkommt. Der Aufbau von Vermögen ist nur dann Ihr Ziel, wenn sie das Vermögen in der Zukunft für diese Zwecke brauchen.

EKD Synode verabschiedet Worthülsen zur digitalen Welt

Die Synode der EKD beschäftigte sich mit dem Thema „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“. Heraus gekommen sind zehn Wahrnehmungen und Folgerungen, die evangelisch.de vorab publiziert.

Leider zeigt sich symptomatisch, woran der Umgang mit der Digitalisierung mangelt. Die Digitalisierung wird als ein Umbruch gesehen, der Fragen produziert, die nicht gestellt werden müssen. Entsprechend erarbeiteten die 10 Foren der Synode einen großen Haufen Worthülsen. Das Wort Digitalisierung lässt sich beliebig gegen Erfindung der Schrift auf Tontafeln, Buchdruck, Einführung des Postwesens, Erfindung des Telefons oder Höhlenmalerei austauschen:

Wir wissen nicht genau, was die Fotokopie bewirken wird. Als evangelische Kirche sehen wir die Notwendigkeit, die Fotokopie in ihrer Vielfalt und in ihren Ambivalenzen besser zu verstehen, um daraus Konsequenzen für die Kommunikation des Evangeliums zu ziehen. „

Wie schon die Entwicklung der Schrift und die Erfindung des Buchdrucks macht der Rundfunk Kommunikation unabhängiger von Raum und Zeit. Die damit verbundene Erweiterung von kommunikativer Reichweite und Verfügbarkeit führt zu einer bisher unbekannten Fülle an Informationen. Die Prozesse zur Auswahl, Gewichtung und Aufbereitung von Informationen haben sich verändert. „

Das Spiel kann ich mit dem gesamten Text fortsetzen. Doch Sie erkennen, worauf ich hinaus will.

Wer die Digitalisierung als etwas neues begreift, versteht das Phänomen nicht. Menschen haben eine technische Evolution angestrengt. Kommunikation entwickelt sich hin zu größerer Reichweite, mehr EmpfängerInnen und schnellerem Austausch. Jeder technologische Schritt führt in diese Richtung. Die Kirche hat 2000 Jahre Erfahrung. Diese Erfahrung gilt es auf jede neue Form der Kommunikation anzuwenden.

Statt das Neuland mit Worthülsen zu Lobpreisen oder vor ihm zu warnen kann die Kirche konkrete Aufträge und Forderungen formulieren:

  • Seelsorge braucht Vertraulichkeit in der Kommunikation. Die Kirche hat die Pflicht geeignete Kommunikationsstrukturen zu schaffen. Hierzu gehören die Kryptographie, Schulungen um sie richtig einzusetzen und Einfluss auf den Staat die Verschwiegenheit der Seelsorge auch digital zu achten.
  • Soziale Räume müssen gepflegt und geregelt werden. Auch das gilt schon für den offenen Jugendtreff, den Gemeindebrief und den Kaffee nach dem Gottesdienst. Jeder Soziale Raum hat explizite und unausgesprochene Regeln und Konventionen. Die Kirche muss soziale Räume entwickeln, diese Pflegen und beaufsichtigen. Dabei muss Zielgruppengerecht vorgegangen werden. Sichere und beaufsichtigte Räume für Kinder und Jugendliche, Einfach zugängliche für Senioren, vertrauliche für die Bedrückten …
  • Der Auftrag der Verkündigung wirkt sich auf jedes Medium aus. Jedes Medium bietet neue Formen und auch kreative Umsetzungsideen. Kreativität und Professionalität sind wichtig um die Botschaft wirksam zu versenden. Daher brauchen wir neben JournalistInnen, Rundfunkschafenden und vielen anderen auch YoutuberInnen, FacebookerInnen und WebdesignerInnen in der Verkündigung.
  • Inklusion ist ein wichtiges Anliegen. Jede Kirche und jedes Gemeindehaus wird so ausgestattet, dass Menschen, die von der Gesellschaft behindert werden, partizipieren können. Das muss auch Digital berücksichtigt werden. Jedes digitale Zeugnis auch für Blinde, Farbenblinde, Menschen, die keine Maus bedienen können … zugänglich sein.

Die Digitalisierung ist ein seit Jahren laufender Prozess. Viele VikarInnen sind bereits „digital natives“ und die Synode verabschiedet Worthülsen.

Norwegen: die Zeit nach der Staatskirche

2012 hat Norwegen mit einer Verfassungsänderung die fast 500 Jahre bestehende Staatskirche aufgehoben. Seit dem befindet sich die Kirche in einem Wandlungsprozess, der ihr auch neue Chancen gibt. PfarrerInnen sind keine Staatsbeamten mehr und die Kirche verliert ihren Status als Moralbehörde. Die PfarrerInnen entwickeln neue pastorale Aufgaben. Die große Naturliebe und neue Pilgerbewegungen bieten Möglichkeiten mit den Mitgliedern der Kirche in Kontakt zu kommen.Der Deutschlandfunk zeigt ein Bild der aktuellen norwegischen Kirche.

Glenn Greenwald: Why privacy matters

Glenn Greenwald befasst sich in einer interessanten Rede mit der Frage „Why privacy matters“. Als Journalist, der die Enthüllungen Snowdens maßgeblich vorbereitet hat, ist Greenwald ein Experte für die Überwachung durch die Geheimdienste.

Er sieht die mögliche Totalüberwachung der elektronischen Medien als großes Problem der gesamten Gesellschaft an. Kreativität und Produktivität sind möglich, wenn man einen Rückzugsraum mit Privtaspäre hat.

Das größte Problem sieht Greenwald der Zementierung der Macht durch die Überwachung. Teil der Überwachung sind nicht nur Terroristen, sondern auch Menschen, die sinnvolle Alternativen zu den derzeitigen Machthabern entwickeln. Die Angst vor einer möglichen Überwachung erhöht den Druck zu konformen verhalten.

Das Fernmeldegeheimnis ist faktisch abgeschafft

Der BND hat Daten, die er am Internetkontepunkt Frankfurt abgeschöpft hat der NSA weiter gegeben. Die Kommunikation deutscher Staatsbürger wurde dabei nur unzureichend heraus gefiltert.

Der Vorfall, der nun publiziert wurde ist in dreifacher Hinsicht ein Skandal:

  • Ein Grundrecht auf Privatsphäre wird nur den eigenen Bürgern zugestanden. Es offenbart ein erschreckendes Verständnis von Geheimdiensten, wenn man Grundrechte nur den eigenen Bürgern zugesteht. Sie sollten universell sein. Ein Land, das von sich den Anspruch hat Grund und Menschenrechte in die Welt zu strahlen, darf sich an deren Aushöhlung nicht beteiligen.Wahrscheinlich werden viele andere Staaten ähnlich mit der NSA kooperiert haben. Da im Internet Daten nicht auf den direkten Weg gesendet werden, liegt der Schluss nahe, dass unsere Nachbarn wahrscheinlich der NSA die Daten lieferten, die ihnen der BND nicht geben wollte.

    Eine Bekanntgabe der Praxis hätte die Bürger schützen können. Doch der BND sah es anscheinend als wichtiger an bei der NSA mitzuspielen als die Grundrechte seiner Bürger zu schützen.

  • Der BND brach mit dem Datenaustausch bewusst das Grundgesetz. Zu Beginn des Programm Eikonal gab es keine Rechtliche Grundlage für den Datenaustausch. Dennoch wurde es gestartet. Erst 2009 wurde ein Gesetz zum Austausch der Daten geschaffen. Dieses erlaubt aber nur eine Übermittlung nach einer Einzelfallprüfung. Massenhafte Rohdaten, wie geschehen, zu übergeben war darin nie vorgesehen.
  • Die Kontrollgremien, die eingeweiht waren haben sich am Bruch des Grundgesetz beteiligt. Namentlich der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier und das parlamentarische Kontrollgremium.

Artikel 10 des Grundgesetz ist daher wahrscheinlich nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem er geschrieben steht.

Wohin die Datensammelwut der NSA führt zeigt sich exemplarisch gut in den USA. Apple hat sein neues Smartphone mit einer neuen Verschlüsselungstechnik ausgestattet. Diese erlaubt es nun nicht einmal mehr Apple die so verschlüsselten Daten zu lesen. Für diesen Service wurde erst durch die Geheimdienste ein Markt geschaffen. Vor allem weil bekannt ist, dass jede Kommunikation erfasst werden könnte und sogar Internetfirmen zur Herausgabe von Daten gezwungen werden, ist ein Markt für Privatsphäre entstanden. Gegen die großen Geschütze hat Apple nun ebenfalls groß aufrüsten müssen. Die einmal verschlüsselten Daten kann nur noch der Benutzer entschlüsseln. Kein Geheimdienst kann Apple dazu zwingen. Die Behörden schlagen nun Alarm vor der neuen Technologie. Wer seine Daten schützen will gilt automatisch als verdächtig.

Ein Wettrüsten zwischen Nutzern und Behörden ist kein wünschenswertes Ereignis. Doch es wird notwendig bleiben so lange Geheimdienste nicht wieder auf den Boden der Verfassung gestellt werden und wir uns über ein elektronisches Briefgeheimnis geeinigt haben.

Ein verlässliches Briefgeheimnis dient den Interessen aller. Die Kommunikation ist günstig, einfach und vertraulich. Das Funktioniert aber nur so lange das Briefgeheimnis als wichtiges Grundrecht angesehen wird. Doch wer ist in unserem Staat noch da um die Grundrechte zu schützen, wenn selbst der Kanzleramtsminister das Grundgesetz bricht?

Die Freude in der Supermaktschlange zu stehen

Ich stehe gerne in der Schlange an der Supermarktkasse. Ich habe die Auszeit bevor ich mein Fahrrad belade immer schon genossen. Noch mehr seit Dr. Mattern mit in einem philosophischen Seminar erklärt hat, dass man dort erkennt, dass die Welt in Ordnung ist. In der Schlange habe ich Zeit die Menschen zu beobachten. Und genau das ist jedes mal spannend.

Grob gesagt gibt es zwei Ansichten zur Natur des Menschen. Die einen sagen die Menschen sind egoistische Wesen, die nur auf ihren Vorteil bedacht sind. Diese politischen und ökonomischen Betrachtungen sehen dann die Gesellschaft oder den Staat als eine freiwillige Beschränkung um die negativen Eigenenergien der Menschen zu verhindern. Die anderen PhilosophInnen gehen davon aus, dass der Mensch ein gutes uns soziales Wesen ist.

Der Beweis für das Gute im Menschen ist simpel und einleuchtend. Alle kleinen Akte der Hilfsbereitschaft lassen sich nur als Ausnahme erklären, wenn die Menschheit egoistisch veranlagt ist. Es gibt kein freundliches die Türe aufhalten oder ein „Nach Ihnen!“.

Daran muss ich immer in der Schlange vor der Kasse denken, wenn ich die anderen Beobachte. Viele sind gestresst und wollen schnell weiter. Aber immer wieder finden sich die Beispiele kleiner Freundlichkeit. EinkäuferInnen mit nur wenigen Waren, die in der Schlange nach vorne gelassen werden. Ein Lächeln und ein „Guten Tag“ zu den KassiererInnen. Heute gab es zum Einkauf Sammelbildchen vom Supermarkt dazu geschenkt. Fast jeder in der Schlange reichte die Sammelbildchen einem kleinem Mädchen weiter. Man kann das als kleine Akte der Freundlichkeit sehen, oder als Zeichen für das Gute in den Menschen.

Wenn Sie also wieder einmal in der Schlange an der Supermarktkasse stehen. Nutzen Sie doch auch die Zeit um sich zu vergewissern, dass die Menschheit gut sein muss. Oder noch besser, geben Sie anderen eine Vergewisserung der Güte. Meistens ist das ziemlich anstecken. Dann muss ich am meisten Lächeln, wenn sich Freundlichkeit plötzlich und ohne Anlass in einer ganzen Schlange ausbreitet.

Katholische Kirche nähert sich dem Familienpapier der EKD an

Die Ordensfrau Margaret A. Farley gibt der kölnischen Rundschau ein Interview. Darin spricht sie über ihre Ansichten zur Sexualmoral der Kirche.

Interessant ist, dass ihre Ansichten eine ähnliche Wende beschreiben, wie sie die EKD in ihrem Familienpapier vornimmt. Farley bewertet die Sexualität nach ihrer Qualität und nicht nach der formalen Beschaffenheit. Gerechtigkeit und Fruchtbarkeit, die sich nicht nur auf Reproduktion bezieht, bilden das Zentrum der Ethik. Damit gibt es guten Sex auch außerhalb der Ehe und ungerechten Sex auch in der Ehe.

Von der Wirtschaft lernen heißt siegen lernen ?!

oder: was Kirche von der Wirtschaft hätte lernen können.

von Friedhelm Schneider, Pfr., Immobilienfachwirt

Überarbeitete Version eines Vortrags beim Tag des Pfarrvereins der EKM in Neudietendorf, 18. Juni 2014.

Liebe Schwestern und Brüder, sehr geehrte Damen und Herren,

ein Schelm, wer bei einem solchen Thema Böses denkt: „Von der Wirtschaft lernen, heißt siegen lernen.“ Sie in Thüringen stellen sofort die Analogie her zu einem Wort, das in früheren Zeiten lange Jahre zur Propaganda der DDR- Führung gehörte. Das lautete: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen.“ Es galt so lange, bis Gorbatschow Mitte der 80iger Jahre die Peristroika propagierte. Ab diesem Zeitpunkt geriet das Wort in der DDR-Regierung in Misskredit und wurde zur subversiven Parole ‚bösartiger‘ Regimekritiker.

Erwarten Sie also Parallelen zur kirchlichen Lage heute, wenn sie den Titel so analog formulieren? In der Tat haben Kräfte dominiert, die der Betriebswirtschaft Kräfte für Wachstum gegen den Trend und Erstarkung der Kirche zuschrieben. Betriebswirtschaft hatte in der Kirche spätestens ab der Jahrtausendwende die Theologie als Leitwissenschaft abgelöst. Gewähr für die Ablösung bot (und bietet) auch das biedermannmäßig aus der Wirtschaft anklopfende und arglos eingelassene Berater-Personal: Unternehmensberater wie Peter Barrenstein von McKinsey oder die Direktorin Marlehn Thieme der Deutschen Bank. Letztere aus einem Unternehmen, das zu Zeiten als Marlen Thieme in Führungspositionen der Kirche kam mit 25% Rendite prahlte, sich dann aber vor 2 Jahren kleinlaut aus triftigem Grund selbst einen Kulturwandel verordnen musste. Seither sitzt das Personal der Wirtschaft in den Führungsetagen der Kirche, im Rat der EKD und der Steuerungsgruppe zum Kirchenreformprozess1. Man wird eingedenk schon dieser wenigen Fakten der EKD nicht zu nahe treten, wenn man ihr das Wort „Von der Wirtschaft lernen heißt siegen lernen“ als ihre Parole in den Mund legt. Auch wenn es so nie ausgesprochen wurde, prägt es doch das Denken in den kirchlichen Führungsetagen. Es mag sich um eine ‚passagere‘ Position der EKD handeln, die den Zenit schon überschritten hat, sind doch die Erfahrungen mit diesem Ansatz der Leitwissenschaft Betriebswirtschaft mittlerweile so umfangreich wie ernüchternd. Und man kann wohl behaupten, dass die Phase, in der dieser Ansatz die Köpfe in der EKD beherrschte, schon der jüngsten Kirchengeschichte angehören. Wie sagte Thies Gundlach, der Cheftheologe der EKD, jüngst in einem Vortrag? Er möchte nicht der letzte Mohikaner sein, der zum Impulspapier „Kirche der Freiheit“ steht2

Die Analogie zum DDR- Slogan, liegt für Kritiker also durchaus nahe. Es stellt sich nun die Frage: was aber heißt dies Wort in unserem Munde? Im Munde derer, die den sog. Reformprozess, der im Gefolge von „Kirche der Freiheit“ von der EKD über die Landeskirchen gezogen wurde falsifizieren und kritisieren? Der eigentlich kein Reformprozess darstellt, sondern der ein veritabler Umbauprozess ist. Was heißt es, wenn wir diesen Satz heute aufgreifen – und ihn positiv gegen seine früheren geheimen Befürworter wenden? Lassen Sie mich dazu etwas ausholen, und den Blick aufs Ganze richten, bevor wir den Ausschnitt analysieren:

Wir leben heute in einer Zeit in der die früher in Zeiten sozialer Marktwirtschaft propagierte funktionale Trennung der Systembereiche der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Religion etc.) an ihr Ende gekommen ist. Denn die „Wirtschaft“ beschränkt sich nicht mehr auf ihren Sektor der Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Das hat einen praktischen Grund: Im Finanzkapitalismus ist Kapital im Überfluss an Banken und Börsen vorhanden und sucht Anlagechancen und Höchstrendite. Dazu müssen die Grenzen der Ökonomie zu den anderen Funktionsbereichen überschritten werden. Zu diesem Zweck werden solche anderen Bereiche, wie z.B. die der Daseinsvorsorge, usurpiert. Privatisierung war das Zauberwort und totaler Service das Zuckerstückchen, mit dem der Bevölkerung dies schmackhaft gemacht wurde. Nach Post, Bahn und Telecom in den 90iger Jahren, kamen ab 2000 die engeren Bereiche der Daseinsvorsorge: Schule, Universität, Gesundheitswesen (mittelfristig Rückkehr zum DDR-System der Poliklinik) und Justiz an die Reihe (Privatisierung von Vollzugsanstalten in Hessen durch Roland Koch). Übereinstimmend wurde in allen Bereichen das ehemals organisatorisch starke Fachpersonal entmachtet: durch Entzug von Beteiligungsrechten (Universität/Schule), durch Wandel des Bildungssystems von Humoldt’scher Bildung zu Kompetenzvermittlung und damit Infragestellung der klassischen Lehrerkompetenzen, durch die Deklassierung des Ärztestandes zu einer Art Scheinselbständigkeit, durch die Überlastung des Personals mit einem kaum zu bewältigenden Arbeitspensum (Justiz) unter der die Qualität der Arbeit, die Rechtssicherheit, wie auch die Gesundheit der Personen leidet.

Diese Ökonomisierung schlich sich ein mit allerlei quasi-eschatologischen Versprechungen, z.B. der Steigerung der Servicequalität, der Illusion einer „totalen“ Qualität (TQM), etc. Wie weit Versprechen (Ideologie) und Wirklichkeit auseinanderklaffen, möge ein kleines, aber sprechendes Beispiel demonstrieren. Günther Wallraff studierte in bekannter Manier in einem Incognito-Selbstversuch die Praxis eines Alten- und Pflegeheims in München, dem kathol. Josephstift am Luise-Kisselbachplatz. Die Zustände waren nach der entsprechenden TV- Sendung ziemlich verheerend. Und dabei prangt ein Qualitätssiegel des TQM an einer Wand der Einrichtung. Darin wird die Note 1, sehr gute Qualität also, bescheinigt. Was hier an einem Beispiel dargelegt ist, können Sie getrost auf das gesamte Gesundheitswesen übertragen. Das System des TQM ist essentieller Bestandteil neoliberaler Transformationprozesse. Deren harter Kern aber in nichts anderem als Personalabbau bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit des Restpersonalbestandes, Ausbeutung der Gesundheit des Personals, Reduktion der Angebote/Dienstleistungen auf (billigen) Standardprodukten (Kernleistungen), Steigerung der Profite der Investoren. Das steht konträr zur Sozialen Marktwirtschaft und produziert Widerspruch in entwickelten europäischen Gesellschaften. Um diesen Widerspruch zu unterdrücken, wird ein völlig neues Weltbild, ein ökonomisches Denken, geprägt, das allen anderen Funktionsbereichen aufgedrückt wird. Alle müssen sich an der neuen Nomenklatur orientieren. Alle lassen sich an den neu gesetzten Kriterien messen und bewerten. Diese neuen Kriterien kommen daher als hohle „Plastikwörter“, Anglizismen gaukeln eine besondere Aura vor, Euphemismen vernebeln die eigentlichen Aussagen. Und so sind Fehlinformation, Vernebelung und Geheimhaltung wesentlicher Bestandteil des Akzeptanzmanagements des schönen neuen neoliberalen Weltkonzeptes.

Ein neues Denken, das auch in der Kirche Fuß fassen konnte. Mit dem Reformprozess genannten Umbauprozess. Prof. em. Jürgen Moltmann beklagte in einem Vortrag jüngst den „Einzug ökonomischen Denkens in die Kirche“. Er zieht folgerichtig die Verbindung zu Barmen I: …Wo liegen heute jene »Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten« aus Barmens Erster These verborgen, die wir zu Götzen machen? Er fragt und antwortet: „Sind wir wieder in der Situation von vor 1933? Nein, das sind wir nicht! Wir sind in einer ganz anderen Situation. Es droht uns nicht eine ideologische Politisierung der Kirche wie durch die Nazis und die Deutschen Christen damals. Es droht uns aber eine nicht minder gefährliche ideologische Ökonomisierung der Kirchen, wie wir sie auch in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge, so z.B. auch an den deutschen Universitäten erleben. Wie kann Kirche „effektiver“ gemacht werden? Wie kann die Zahl der Taufen, Konfirmationen und kirchlichen Amtshandlungen erhöht werden? Wie kann die Kirche auf ihr „Kerngeschäft“ verschlankt werden? Wie kann die „Kirche im Angebot“ attraktiver werden? Der religiöse „Service“ der Kirche an ihren „Kunden“ muss verbessert werden. Damit entmündigt man die aktiven Brüder und Schwestern zu passiven „Kunden“ und macht aus selbstständigen Gemeinden betreutes Leben in den Kirchen.“ 3

Man kann eine solche Position wie die von Jürgen Moltmann also politisch durchaus verstehen. Dennoch: diese Form der Pauschalkritik erscheint uns zu undifferenziert, erfasst nicht die ganze Wirklichkeit und ist damit in gewisser Weise selbst angreifbar. Gerade, wenn es wie hier nicht um die politisch-volkswirtschaftliche Ebene, sondern um die Frage der Organisationsreform der Kirche geht. Und sie enthält nicht die Chuzpe, die vermeintlichen Ökonomen mit den Waffen der Ökonomie selbst zu schlagen. Das haben Sie nun aber mir mit dem Vortragstitel, wenn ich das recht verstehe, aufgetragen. Und daran will ich mich gerne versuchen. Denn nur so können wir zur tieferen Erkenntnis kommen, dass ökonomische Argumente wie am Beispiel einleitend gezeigt bei den sog. Reformprozessen vielleicht nur vorgeschoben sein könnten, es in Wirklichkeit und im Hintergrund aber um etwas anderes, Tiefgreifenderes geht. Dass es mit dem Prozess „Kirche der Freiheit“ nicht nur um einen Reformprozess, sondern um einen veritable Umbauprozess geht. Lassen Sie uns also etwas genauer hinschauen und differenzieren, um am Ende dann doch wieder einen Ansatz zu finden, die vorhandenen positiven, hilfreichen Aspekte der Ökonomie für die Organisationsführung trotz aller negativen Erfahrungen mit den gesellschaftlichen Ökonomisierungsprozessen oder der sog. „Reformprozesse“ wieder schätzen zu lernen. Und der dem Titel des Vortrages inhärente Dialektik zu ihrem Recht zu verhelfen.

Dies geschieht nicht in erster Linie um der intellektuellen Herausforderung des Titels willen. Wir müssen dies tun, weil die empirische Kirche ihren Schatz in irdenen Gefäßen bewahrt. Weil die Kirche als Organisation auch mit professionellen, profanen Instrumenten geleitet und dem Evangelium gemäß gestaltet sein will. Dabei darf ihre Gestalt dem Inhalt nicht widersprechen (Barmen III + IV). Als Organisation muss sie also damit auch auf die Möglichkeiten zurückgreifen, die gute Organisationsgestaltung bereit hält und ermöglicht. Und dazu sagt man in der Regel „Management“. Gutes, richtiges Management, das wäre es, was die Kirche wieder bräuchte. Sie bräuchte es ebenso wie Bereiche der „Wirtschaft“ selbst. Die deren Verlust etwa durch das Eingeständnis von Kulturproblemen teilweise auch selbst thematisiert, wie z.B. die Deutsche Bank.

Vom Reformbedarf des klassischen Kirchenmodells nach Barmen…

Betrachten wir die Geschichte des Reformprozesses in den ev. Kirchen: es ging in den 90igern zunächst um einen Reformprozess nach außen, mit dem die Kirche die Differenzierungsprozesse der Gesellschaft nachvollziehen wollte (vgl. „Person und Institution“, EKHN). Kirche musste aber zum anderen auch innerorganisatorisch einen Reformprozess anstrengen. Die Administration war strukturell (hierarchisch), instrumentell (IT) und personell veraltet. Schon die einfache Datenverarbeitung war mit einer hohen Fehlerquote behaftet (notorisch: einfache Datenreihen wie Meldelisten), die Informationsbasis für Entscheidungen mangelhaft. Wissensmanagement war in den Verwaltungen ein Fremdwort. Wissen bspw. war personell gebunden und nicht für die gesamte Organisation verfügbar. Und Wissen war veraltet. Betriebswirtschaftliches Know-How? Fehlanzeige. Worauf wäre es angekommen? Auf die gezielte, eklektische Übernahme von Instrumenten und Strategien aus dem Wissensgebiet des Managements.

1. Finanzmanagement hätte primär organisiert werden müssen als Management der Kosten und nicht – wie in der Doppik vorherrschend – des Vermögens. Es wäre um die gezielte, richtige Investition gegangen und nicht um das Sparen der in kirchlichen Kreisen zur Galionsfigur aller kirchlichen Finanzpolitik erhobenen schwäbischen Hausfrau. Fehlende Investitionen verbunden mit Personalabbau (Desinvestition) etwa im Bereich der Jugendarbeit kommen denn auch in der jüngsten, 5. KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung) schmerzlich im Traditionsabbruch zum Ausdruck! Und es mag dem einen oder anderen Finanzdezernenten vielleicht mittlerweile dämmern, dass die zukünftigen Verluste infolge Kirchenaustritten etwa infolge des Traditionsabbruchs deutlich höher sein könnten, als die Verzinsung der in den zurückliegenden Jahren durch ‚Einsparungen‘ beim Personal gebildeten Rücklagen.

2. Es wäre im Personalmanagement um Führendes Dienen gegangen und nicht um die Rückkehr zum Kadavergehorsam. Es wäre um den Schutz des Schatzes der früher üblichen intrinsischen Motivation gegangen und nicht Überlastung und überzogenem Personalabbau. Kommt es, wie die 5. KMU belegt, auf die Pfarrerin und den Pfarrer an, dann muss die/der auch in Reichweite verfügbar sein.

3. Es wäre im Immobilienmanagement um ein Management der Ressourcen und Kosten gegangen und nicht des völlig undifferenzierten Verscherbelns von oft nur vermeintlichen „Lasten“. Mehr dazu inhatlich etwa auf diesem Portal.

Fehler und Defizite des Managements sind also offensichtlich. Es fehlte an der analytischen Kraft, die Fragen der eigenen, individuellen Organisation zu klären und daraus ein individuelles Handlungskonzept für die Kirche zu entwickeln. Stattdessen segelte man im Windschatten der neoliberalen Umbauprozesse anderer Institutionen der Daseinsvorsorge (s.o.). Ohne einige gravierende Unterschiede zu beachten. Wie z.B. den, dass die anderen Institutionen der Daseinsvorsorge als Zwangsmitgliedschaft gestaltet sind. Entkommen nicht möglich. Wo dieser Mitgliedschaftszwang nicht bestand, wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, musste er von der Politik hergestellt werden. In dieser von der Mitgliedermeinung unabhängigen Lage der anderen Institutionen ist aber die Kirche gerade nicht. Allerdings wird das Verhallten der Kirche offensichtlich vielfach genau so erlebt. Vielen Mitgliedern wurde daher die ehemals fremde Heimat zur nichtssagenden und -bietenden Fremde. Wo wir stehen wird anschaulich, wenn auch eine nur geringfügige Irritation, wie etwa in diesem Jahr das Missverständnis um die Kirchensteuer auf Kapitalerträge, bereits zu heftigen Erschütterungen in Form einer Austrittswelle führt (und nebenbei auch zu einer unbekannnt-promten Reaktion des EKD- Finanzdezernenten Begrich in Form einer eigens flugs zur Sache erstellten Broschüre).

Der labile Zustand der Kirche in der Phase neoliberaler Umbauprozesse ist also nicht allein externen gesellschaftlichen Prozessen geschuldet, sondern in erster Linie eigenem falschen Management. Was richtiges Management in der Kirche ist, zeigt sich dann, wenn die Frage nach der Mitte, der Mitte des Denkansatzes, geklärt ist. Wir müssen in der Kirche wissen, woher wir kommen und was unsere Aufgabe ist. Ist die Mitte theologisch ausgefüllt, dann können die passenden und aktuellen, den Stand der Technik abbildenden ökonomischen Instrumente – wie schon immer in der Kirchengeschichte – problemlos angewandt werden. Die Theologie ist dabei Standbein, die Instrumente des Managements sind Spielbein. Ich selbst formulierte dies in meinem Buch „Kirchliches Immobilienmanagement“ im Jahr 2004: „Setzt die Kirche diese Erkenntnis in Managementhandeln um, werden in der freien Wirtschaft übliche… Managementstrategien relativiert, teilweise transformiert. Dies Anderssein der Kirche oder der entsprechenden Managementstrategien, dieses „sich-der-Welt-nicht-gleich-machen“ heißt aber nicht, dass das Handeln deswegen nicht erfolgreich sein könnte. Ganz im Gegenteil“4. Bildet die Theologie die Mitte, dann sind dieser Mitte alle Funktionen der Organisation zuzurechnen, die diese Mitte in und mit ihrer Arbeit oder auch symbolisch repräsentieren (s. Grafik).

Der Leitung und Verwaltung kommt in diesem Modell eine strikt dienende, eine Servicefunktion zu. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, dass die Mitte richtig und ausreichend gefüllt wird: dass Arbeit in möglichst großem Umfang mit ausreichend ausgebildetem und motiviertem (!) dass ausreichend Personal vorhanden ist und unterstützt und gefördert wird. Dieses Managementmodell korrespondiert mit Barmen III (und IV). Dabei ist aus Managementsicht – und übrigens auch aus finanzieller Sicht (s.u.) – unerheblich, ob die Arbeit an der Basis in der Gemeinde oder aber in Diensten (Funktionspfarrstellen etc.) erfolgt. Entscheidend ist, dass das, was dort passiert, beim Adressaten ankommt und – auf welche Weise auch immer – wirkt.5

klassisches Kirchenmodell nach Barmen

Das also wäre das Modell gewesen, nach dem die Kirche nach innen hin hätte reformiert werden müssen. Und zwar auch aus theologischer Sicht wie auch aus Sicht richtigen und guten Managements. Vielversprechende Ansätze dazu waren ab der Jahrtausendwende vorhanden.

… zum Kirchenmodell des EKD-Umbauprozesses „Kirche der Freiheit“

Spätestens seit Mitte der Nuller Jahre ist die Entwicklung der frühen Reformansätze der Kirche gekippt: wie zuvor schon in anderen Institutionen (Bildung, Gesundheitswesen) sollte später auch die Kirche nicht nur eklektisch von der Wirtschaft, vom Management, lernen, sondern vielmehr nach der Struktur von Wirtschaftsunternehmen umgebaut werden. Dieser Prozess war weder theologisch oder gesellschaftlich-soziologisch motiviert, noch war er von einem systemisch-kybernetischen Managementansatz geprägt, der gezielte Schwachstellen und Stärken identifiziert hätte und dazu passgenaue Lösungen entwickelt hätte. Wie sollten das die organisationsunkundigen Berater von außen auch leisten können? Sie hätten es nicht gekonnt, selbst wenn sie es gewollt hätten. Aber darum ging es ja gar nicht. Es ging nicht um die Optimierung der reformbedürftigen Organisation Kirche. Es ging den „Reformern“ vielmehr darum, alle Institutionen der Daseinsvorsorge dieses Landes mit einem Einheitskonzept umzubauen, sie „marktkonform“ zu machen. Wie später dann sogar die Demokratie selbst „marktkonform“ gemacht werden sollte/ wird. Im Zuge dieses vereinheitlichenden Ökonomisierungskonzepts wurden den ehemals demokratisch bottom-up aufgebauten Institutionen mit Top-down-Strukturen übergestülpt; die mittlere Ebene wurde zur zentralen Leitungsebene der Region mit vielen bzw. allen Kompetenzen, die früher die Gemeinden hatten. In der Kirche ging es also nicht mehr um inhaltlich theologisch motivierte verbessernde Reformen eines in der Nachkriegszeit über 50 Jahre bewährten Systems. Sondern es ging um einen Umbau der Kirche nach Mustern der Wirtschaft unter Anleitung von neoliberalen Beraterteams. Das Agenda-Setting wurde mit dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ besorgt. Was dabei herauskam? Ein hierarchisches Modell, bei dem EKD- Gremien als Spitze Entscheidungen treffen, die die Landeskirchen umzusetzen haben. Das konnte jüngst auch anhand des „Erweiterten Solidarpakts“ der EKD- Kirchenkonferenz nachgewiesen werden. Ein Modell bei dem Leitung ihre Dominanz über den personellen Ausbau der Administration stärkt. Ein Modell, bei dem die Mitarbeiter, die die eigentliche Arbeit vor Ort in Verkündigung, Seelsorge, Pädagogik, Musik, etc. leisten, abgebaut und an den Rand gedrängt werden. Sie müssen mit und von dem leben, was in der Mitte der Organisation, also bei Leitung und Administration, an finanziellen und sonstigen Ressourcen übrig bleibt. Der Verwaltungswasserkopf hingegen wird immer stärker aufgebläht. Was bleibt ist ein „Haus der Kirche“, das belegt ist von Regionalverwaltung im EG, der Dekanatsverwaltung im OG und 2 Fachstellen im Souterrrain.

Grafisch kann man das so fassen:

Reformmodell

Hier hat die Kirche ihre Mitte verloren. Sie weiß nicht mehr, was sie eigentlich zusammenhält. Ein fremdes institutionelles Umbaukonzept bildet das neue Zentrum der Kirche. Wie weit weg ist Barmen III, nach dem die Kirche auch „die Gestalt ihrer […] Ordnung“ nicht „ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen“ darf.

Fazit: Von der Wirtschaft lernen, heißt siegen lernen. Der mit dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ initiierte Umbauprozess der Kirche propagiert Betriebswirtschaft als Lösung für die Reformprobleme der Kirche. Was sich allerdings hinter diesem Konzept verbarg, war ein marktkonformes Umbaukonzept der Institutionen des Staates. Dies wurde – wie in allen Fällen modifiziert – auch in der Kirche angewandt. Betrachtet man das bis heute sichtbare Ergebnis nach ökonomischen Kriterien, fällt es ausgesprochen schlecht aus. Der finanzielle Aufwand dafür war und ist und bleibt hoch, dabei ist die Wirkung entsprechend der empirischen Studie der 5. KMU negativ. Gemäß dem Rationalprinzip der Ökonomie müssen Resultate aber bei gleichem Mitteleinsatz besser/ höher werden, wenn sie wirtschaftlich genannt werden sollen. Insofern war der Umbauprozess also der Sache nach nicht zu viel, sondern zu wenig ‚ökonomisch‘. Vor allem aber fehlte es am Ansatz guten und richtigen Managements: Reformen der Kirche, die dem Rationalprinzip der Ökonomie standhalten sollen, müssen immer systemisch-kybernetisch angelegt sein. So gilt heute: nach dem Umbauprozess ist vor der Reform. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

 

Anmerkungen und Erläuterungen:

Diese beiden o.g. Grafiken sind sehr plakativ und für den einen oder anderen provokativ. Und wie das so ist bei Grafiken und Bildern: sie können die Wirklichkeit natürlich nicht vollständig fassen. Daher hier noch einige ergänzende Charts, die die oben aufgestellten Thesen belegen.

Zur Alternative Gemeindepfarrstellen oder Funktionspfarrstellen aufgrund von Finanzmangel.

Oft wurden Gemeinde- und Funktionspfarrstellen von kirchenleitdender Seite aufgrund angeblicher Finanzknappheit gegeneinander in Stellung gebracht. Dabei ist die Behauptung fehlender Mittel falsch. Und die im kirchlichen Dienst am Menschen arbeitenden sollten sich nicht in eine falsche Frontstellung gegeneinander begeben. Dies lehrt ein Blick in die Jahresrechnung der EKHN, hier am Bsp. des Jahres 2008. Bei einem Haushaltsvolumen von 520 Mio. entfallen auf den Gemeindepfarrdienst ganze 58 Mio. €. Selbst wenn man die Versorgungsleistungen addiert kommt noch nicht einmal auf 15% des Haushaltsvolumens. Quelle: Jahresbericht der EKHN 2008.

Nimmt man Gemeinde- und Funktionspfarrstellen zusammen und rechnet die Kosten, die kirchensteuerfinanziert sind (staatlich finanzierte Stellen werden also nicht berücksichtigt), dann macht ihr Anteil gerade mal ca. 20% vom Haushaltsvolumen aus. Pfarrstellen im Verwaltungsbereich oder Leitung (wie ganze Dekanestellen sind dabei aus Gründen betriebswirtschaftlich klarer Differenzierung nicht berücksichtigt).

Auf diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Alternative: Gemeinde- oder Funktionspfarrstellen ziemlich obsolet ist. Die Frage ist berechtigt: was sind denn die anderen 80 Prozent? Zu dieser Frage vgl. die Jahresberichte der EKHN.

Das alles heißt nicht, dass man nun diesen Anteil zementieren müsste, dass nicht auch dort, bei Gemeinde und Funktion Veränderungen nötig wären. Es sind generell Veränderungen erforderlich, die auf eine höhere Wirkung zielen. Nicht nur in Leitung und Administration, sondern auch bei Gemeinde und Funktion. Aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, das

s Gemeinde und Funktion schon heute innerhalb aller Leistungen der Kirche relative zu anderen, etwa der Administration, die höchsten Wirkungen erzielt. Insofern trifft diese Forderung auch Gemeinde und Funktion, aber die anderen Bereiche in deutlich stärkerem Maße. Und man muss ergänzen: man kann höhere Wirkung bei dieser Art von Arbeit nicht per ordre de mufti verordnen oder per Impulspapier erzeugen. Da könnte das Konzept des Führenden Dienens schon deutlich weiter helfen. Wir werden später davon im Vortrag von Dr. Hartmann hören. Ich bin gespannt.

Dies Diagramm zeigt die Entwicklung des Anteils der Gemeindepfarrdienst in der EKHN in einer Statistik von 2000 bis 2012. Als Quelle dienen die Jahresberichte der EKHN. Der Anteil von ca. 15% ist also kein Einzelfall, sondern ab 2004 das Durchschnittsmaß.

Eine Langfristbetrachtung dieser Kennziffer „Anteil Pfarrgehälter am HH-Volumen“ anhand weniger Einzelfälle zeigt am Bsp. Der EKHN eine klare Abwärtstendenz ab Anfang der 80iger Jahre mit damals ca. 33%, im Jahr 2000 bei ca. 23% und heute bei ca. 15%. Wobei es sich dabei nur um die direkten Kosten, also Gehälter und Versorgungsleistungen, handelt. Hintergrund ist, dass die Kirchensteuereinnahmen, gestiegen sind, die Gehälter aber – wie in allen Branchen in Deutschland – ab 2000 mehr oder weniger eingefroren wurden. Das Weihnachtsgeld wurde gestrichen oder durch deutlich geringere andere Zahlungen ersetzt, die Durchstufungen zu höheren Gehaltsstufen wurden gestrichen, teilweise auch die Gehaltsendstufe A 14 auf A 13 abgesenkt (z.B. Hannover). Man beachte, dass zusätzlich eine ganze Reihe von Leistungen, die haushaltstechnisch an anderen Stellen als bei den Gehältern verbucht werden, bei dieser Betrachtung noch nicht berücksichtigt sind. So z.B. die Schönheitsreparaturen, Heizkostenzuschüsse, Weiterbildung etc.). Auch dort gab es bisweilen drastische Einschnitte zu Lasten der Pfarrer. Die PfarrerInnen sind in der Entwicklung seit den 80iger Jahren also auch finanziell vom Zentrum in die Peripherie katapultiert worden.

1Eberhard Cherdron, Martin Schuck, Evangelische Existenz heute; in Dt. Pfarrerblatt 10/2012

4Friedhelm Schneider, Kirchliches Immobilienmanagement, Darmstadt 2004, S.36

5 Achtung: hier darf das Kundenmuster nicht einfach auf die kirchlichen Leistungen übertragen werden

Kirchen steuern auf neue Rekordeinnahmen zu

Die Kirchensteuereinnahmen für das laufende Jahr könnten nach den Steuerschätzungen des Bundes einen neuen Rekord aufstellen. Die Einnahmen können nach 3 Rekordjahren noch einmal um vier bis fünf Prozent steigen. Seit 2005 sind die Kirchensteuern bereits um 43% gestiegen