16.06.14
Der christliche Unternehmer Peter Barrenstein fordert ein Ende evangelischer Umverteilungsideologie. Protestanten bräuchten mehr Freiheitsbewusstsein – und eine differenzierte Sicht auf Kinderarbeit.
„Was aber nicht hilft“ – und damit rührt Barrenstein an ein kirchliches Tabuthema –, sei „ein pauschales Verdammen jeder Form der Arbeit von Kindern. Wenn ältere Kinder in sehr armen Ländern Arbeit finden und zugleich eine Ausbildung machen können, ist das immer noch besser, als wenn sie in die Kriminalität oder die Prostitution getrieben werden.“
Dr. Barrenstein ist Mitglied der Synode der EKD und der Generalsynode der VELKD, Mitglied der EKD-Steuerungsgruppe zum Reformprozeß, Beauftragter des Rates der EKD für das Thema Führen und Leiten in der EKD sowie Aufsichtsrat der Führungsakademie für Kirche und Diakonie.
Klarstellung der Fakten zu Kinderarbeit und Kinderzwangsarbeit:
Kinder- Sklaverei – immer noch in Mode. Von Iris Stolz, Referentin Kinderrechte, terre des hommes
veröffentlicht in: terre des hommes-Zeitung 4/2014
mit freundlicher Genehmigung übernommen.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass weltweit 5,5 Millionen Kinder als Arbeitssklaven, Zwangsprostituierte oder in privaten Haushalten missbraucht und ausgebeutet werden. Hinter diesen dürren Zahlen verbirgt sich unvorstellbares Leid, Tag für Tag.
terre des hommes-Partner berichten von Mädchen, die in indischen Spinnereien vor Erschöpfung zusammengebrochen sind oder die als Hausmädchen von ihren Arbeitgebern missbraucht, geschwängert und buchstäblich auf die Straße geworfen wurden. So verschieden ihre Geschichten sind, kommen doch fast alle Kinder in Zwangsarbeit und Sklaverei aus extrem armen Familien. Sie sind nur kurz oder gar nicht in die Schule gegangen, und ihren Familien fehlen Wissen und Kenntnisse, um staatliche Hilfs- und Sozialprogramme in Anspruch zu nehmen, soweit es diese denn gibt. Hinzu kommen soziale Ausgrenzungen wie beispielsweise durch das indische Kastensystem sowie die geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen und Mädchen.
Wenn Kinder durch Menschen, die nicht ihre Eltern sind, zur Arbeit gezwungen werden, dann definiert dies die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als Zwangsarbeit. Dabei kann Zwang auf verschiedenen Ebenen ausgeübt werden: Zum Beispiel, um Kinder zu rekrutieren oder um Eltern und Kinder zu bewegen, eine bestimmte Form von Arbeit zu übernehmen. In vielen Ländern der Welt werden Kinder dazu gezwungen, Dinge zu tun, die bei ihrer Einstellung als Beschäftigte nicht Teil der Abmachung waren. Ein Beispiel dafür ist die Versklavung haitianischer Kinder als Hausdiener. Die sogenannte »Restavec«-Praxis beschreibt ursprünglich die Tradition, dass arme Familien aus ländlichen Gebieten ihre Kinder an wohlhabendere Verwandte in die Städte schicken. Die Kinder sollen dort Haushalt unentgeltlich arbeiten, dafür Essen, eine Schulbildung und bessere Lebensperspektiven erhalten. Doch der solidarische Gedanke dieses Systems wird heute für kommerzielle Zwecke und Dienstleistungen missbraucht. Die Restavecs müssen Kinder und Senioren pflegen, schwere Einkäufe schleppen, kochen putzen und waschen, Botengänge erledigen und vieles mehr, was die Gesundheit von Kindern beeinträchtigt.
Laut ILO wirft die Versklavung von Kindern und Erwachsenen jährlich rund 150 Milliarden US-Dollar Extraprofite ab – am lukrativsten ist Zwangsprostitution in Industrieländern, wo Gewinne bis zu 80.000 US-Dollar pro Opfer und Jahr möglich sind. Dies sind Profite, die bei regulären Beschäftigungsbedingungen unvorstellbar waren.
Die australische Walk Free Foundation, die den Global Slavery Index 2013 herausgegeben hat, schätzt die Zahl der Opfer von Zwangsarbeit in Indien auf fast 14 Millionen. Viele sind bei Kreditwucherern verschuldet und mitsamt der ganzen Familie deren Zahlungs-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen ausgeliefert.
Ein besonders perfides Beispiel für Zwangsarbeit in Indien ist das sogenannte Sumangali-Schema. Die im Akkord und unter haarsträubenden Bedingungen hergestellten Textilien werden in alle Welt exportiert und vor allem in Discountern billig angeboten. Doch es gibt auch Erfolge im Kampf gegen diese Zwangsarbeit – zum Beispiel dank konkreter juristischer Unterstützung für die indischen Arbeiterinnen, die ihnen endlich zu ihrem Recht verhilft, und indem der internationale Handel in die Verantwortung für faire Produktionsbedingungen in der gesamten textilen Lieferkette genommen wird. Lesen Sie auf den folgenden Seiten, wie sich terre des hommes zusammen mit indischen Partnerorganisationen für Sumangali-Opfer engagiert.