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Personalentwicklung

Wintersynode der Reformierten in Bern-Jura-Solothurn: Abbau von 27,5 Pfarrstellen 2016-2019.

1.Zusammenfassung
Die geltende Verordnung über die Zuordnung der vom Kanton entlöhnten evangelisch-reformierten Pfarrstellen (BSG 412.111) ist letztmals per 1. Januar 2012 revidiert worden. Siemuss erneut revidiert werden, damit die vom Grossen Rat im Rahmen der Aufgaben- undStrukturüberprüfung 2014 gefassten Sparbeschlüsse in der Produktgruppe „PfarramtlicheVersorgung der Kirchgemeinden und Beziehung zwischen Kirche und Staat“ umgesetzt werden können. Da die Staatsausgaben für die Landeskirchen fast ausschliesslich aus Pfarrbesoldungen bestehen, kann das vom Grossen Rat vorgegebene Sparziel von jährlich 5 Millionen Franken nur mit dem Abbau von 27.5 Pfarrstellen erreicht werden. 24.9 Stellen gehen zu Lasten der evangelisch-reformierten Landeskirche. Die vorliegende Totalrevision der Verordnung ordnet die Pfarrstellen an die evangelisch-reformierten Kirchgemeinden nach neuen Kriterien zu und regelt den Abbauprozess.


Der Stellenabbau erstreckt sich über die Jahre 2016 – 2019. Die Verordnung sieht Kriterienvor, in welcher Reihenfolge der Abbau in den Kirchgemeinden stattfindet. Verfügt wird der Umfang und der Zeitpunkt des Abbaus durch die oder den Beauftragten für kirchliche Angelegenheiten. … Zum Synodenbericht.

60% fallen in Bayern durch das theologische Examen

In Bayern sind 60% aller KandidatInnen im erstem Versuch durch das theologische Examen gefallen. Die Ursachen sind noch nicht klar. Die Landeskirche spricht vorerst von einem Ausrutscher. Dennoch soll das Examen genau untersucht werden.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass EKHN-Gemeinden begannen, ihre PfarrerInnen zu kaufen…“ (FAZ-Artikel vom 24.12.2014)

FAZ-Artikel vom 24.12.2014: Es begab sich aber zu der Zeit, dass EKHN-Gemeinden begannen, ihre PfarrerInnen zu kaufen… (vgl. auch Wort-Meldungen vom 05.01.14)

Von Ilona Bechtoldt-Werle

Die Aussage des FAZ-Artikels ist erschütternd:
„Wo die Gläubigen mit besonders üppigen Gehältern gesegnet sind, kaufen sie sich einfach ihren Pfarrer selbst.“
Wenn ich Pfarrerin wäre, würde ich das nicht mit mir machen lassen, abhängig zu sein von Sponsoren oder Mäzenen, die mein Gehalt finanzieren. Von welcher Dauer ist denn dieser Deal? Was geschieht, wenn ich etwas predige, was den Damen oder Herren Spendern nicht gefällt? Muss ich dann mit Gehaltskürzungen oder gar Entlassung rechnen? Nicht umsonst hat sich nach der Reformation bei den Pfarrpersonen ein beamtenähnlicher Status entwickelt, damit sie den Verkündigungsdienst des Evangeliums in Freiheit und Unabhängigkeit in einem volkskirchlichen Umfeld ausüben können. Gerade die EKHN hat doch bisher immer auf diese Unabhängigkeit und Freiheit so großen Wert gelegt! Das scheint nun vorbei zu sein. Hier zeigt sich nicht nur ein „geschmeidiger“ Prozess des Personalabschmelzens, sondern ebenso „geschmeidig“ die Aushöhlung des volkskirchlichen Prinzips. Wir sind damit auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse und fördern damit in der Tat die Ökonomisierung der Kirche. Den Kauf von EKHN-PfarrerInnen müsste die Kirchenleitung eigentlich unterbinden, denn wenn dieses Modell weiter um sich greift, wird es viele Verlierer-Gemeinden geben, die sich den Kauf einer Pfarrperson nicht werden leisten können. Damit führt man auf geschmeidige Art eine im vorletzten Jahrhundert überwundene ekklesiologische Struktur wieder ein: Reiche, meist städtische Gemeinden mit üppiger Personalausstattung; dagegen arme, meist ländliche Gemeinden, die noch nicht mal mehr etwas für ihre darbenden Kirchenmäuse übrig haben werden, geschweige denn noch eine Pfarrperson im Pfarrhaus wohnen haben werden.
Ja, lieber Herr von Ditfurth, Sie haben das richtig erkannt:
„Mit dem Verständnis von Kirche ist das nicht zu vereinbaren.“
Nun begründen die Herren Oberkirchenräte Striegler und Böhm das geschmeidige Abschmelzen des Pfarrpersonals mit der Aussage: „Die Pensionslast werde jedes Jahr erdrückender.“ Die Wahrheit sieht jedoch anders aus:
Zwar steigen die Ruhestandsverpflichtungen an, jedoch ein Großteil der Pensionsansprüche ist momentan abgedeckt durch Leistungen aus der BfA (Einzahlungen bis 2003 – von daher sinkend) und der Evangelischen Ruhegehaltskasse Darmstadt (ERK). Zitat Striegler vom 03.12.2014 : „Wir haben etwa zwei Drittel der gesamten Altersversorgungsansprüche über die ERK rückgedeckt.“ Diese mit Eintritt der Pension entstehenden Lasten sind insoweit für die EKHN kostenneutral. Die Anzahl der Empfänger spielt dabei keine Rolle, da den Ausgaben personenbezogene Einzahlungen und Ansprüche gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass für die aus dem aktiven Dienst Ausscheidenden keine weiteren Einzahlungen mehr erfolgen müssen. Unter dem Strich sinkt also die Belastung des EKHN-Haushalts für diesen Teil der Versorgung. Der verbleibende Teil der Altersversorgungsansprüche in Höhe von einem Drittel lastet laut Stiegler auf den jährlichen Haushalten. Doch auch hier hat die EKHN klugerweise Vorsorge betrieben. Zitat Striegler (s.o.): „Wir haben vor mehr als 20 Jahren die sogenannte Versorgungsstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gegründet. Sie soll genau dieses Drittel der Altersversorgung, das nicht über die Ruhegehaltskasse abgeschirmt ist, aus Kapitalanlageerträgen decken und damit den kirchlichen Haushalt entlasten.“ Die Versorgungsstiftung hat (Zitat:) „zurzeit einen Abdeckungsgrad der Verpflichtungen von über 100 Prozent“. Ziel des Deckungsgrades ist laut Haushaltsplan 2015 111,1% der Verpflichtungen.
Momentan liegt der Anteil der Versorgungsleistungen für Pfarrpersonen und Kirchenbeamte sowie deren Hinterbliebenen aus dem laufenden EKHN-Haushalt bei ca.13 Mio. €
Fazit: Für die EKHN ist die Pensionierungswelle im Hinblick auf die Pensionslasten im Grunde ein Nullsummenspiel.
Und noch etwas: Geht man realistischerweise davon aus, dass in den nächsten Jahren (ab 2017) ca. 20 – 30 Pfarrpersonen mehr in den Ruhestand eintreten, als Nachwuchs generiert werden kann, bedeutet dies zusätzlich durch Rückgang an Gehaltszahlungen eine jährliche Einsparung in Höhe von 1,2 – 1,8 Mio €, jeweils jährlich um den selben Betrag wachsend, bis die Pensionierungswelle ab ca. 2027 abgeebbt ist.
Wer angesichts dieser Zahlen Fehler der Kirchenleitung in der Außendarstellung wittert, liegt goldrichtig.
In der Tat: „Da darf man auch etwas vorausschauende Planung erwarten. Das hat auch die EKHN erkannt: Erstmals setze sie im Haushalt 2015 auf eine „kaufmännische Buchführung“, kündigte sie im November an. Das sorgt für Transparenz und eine bessere Übersicht über die Kosten.“
Nun, dazu ist zu bemerken, dass die geplanten Kosten für die Einführung der neuen kaufmännischen Buchführung in Höhe von über 9 Mio € der EKHN anscheinend keine Last sind. Ob die beschworene Transparenz und die bessere Übersicht der Kosten dafür dann tatsächlich eintreten, ist sehr stark zu bezweifeln. Empirisch zeigt sich, dass überall da, wo die kaufmännische Buchführung eingeführt wurde, nicht nur die Einführungskosten explodieren (in der EKiR mittlerweile bei geschätzten 60 Mio. €), sondern auch die laufenden Kosten durch den Mehrbedarf an Verwaltungsfachkräften nicht nur „geschmeidig“ steigen. Denn die erwartete Transparenz und bessere Übersicht der Kosten, das zeigt die Erfahrung, ist einem Laiengremium Kirchenvorstand, das in der Regel nicht nur aus Bankern, Ökonomen oder Finanzwirten besteht, ohne teure Expertenhilfe kaum noch zu vermitteln.

EKHN: Thomas Striegler, Leiter der Kirchenverwaltung und OKR Jens Böhm, Personaldezernent räumen in einem FAZ-Gespräch Fehler der Kirchenleitung in der Vergangenheit ein.

Wir kaufen uns eine Pfarrerin. Die Kirchen nehmen so viel Geld ein wie nie.
24.12.2014, von Corinna Budras, FAZ


Womit wir auch gleich bei der schlechten Nachricht wären: Denn dieses Paradebeispiel kommt ausgerechnet in einer Zeit, in der es überhaupt nicht nötig erscheint. Noch nie sprudelten die Kirchensteuern so munter wie in diesem Jahr. Die evangelische Kirche wird rund fünf Milliarden Euro einnehmen, das sind etwa fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Schon seit Jahren geht das so. Seit 2005 sind die Kirchensteuereinnahmen um mehr als 43 Prozent gestiegen -..
Doch wenn es der Kirche so gut geht, warum müssen dann die Gläubigen darben? Das ist etwa so, als würden die Theater in Zeiten von Rekordeinnahmen erst einmal ihre Stammschauspieler abbauen. Doch bei der Kirche erscheint es besonders absurd…

Wer angesichts dieser Zahlen Fehler der Kirchenleitung in der Vergangenheit wittert, liegt goldrichtig. Das sehen selbst Böhm und Striegler so… „

Zwei Fehler werden dann genannt: 1. die Einstellungspraxis der geburtenstarken Jahrgänge Ende der 80iger Jahre und 2. die Verweigerung, zwei fertig ausgebildete Vikarskurse in den Dienst zu über nehmen 1997/98. Beide Kurse wurden damals komplett abgewiesen. Zum Artikel der FAZ.

Kommentar FS: Bisher wurden Fehlentscheidungen oder Fehleinschätzungen der Kirchenleitung eher verhohlen eingeräumt. Man erinnere sich an das erst jüngst erfolgte Eingeständnis, dass die Kirchensteuern nicht nur  nominal gestiegen, sondern auch real seit 2 Jahrzehnten auf dem selben Niveau liegen.  Was man ja zuvor immer bestritten hatte. Noch 2011 behauptete man ein reales Minus von 0,8 Prozent, was allerdings nicht zutraf. (Vgl. dazu Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft.)

Nun werden gar Fehler eingeräumt. In der Personalpolitik. Deren zwei werden genannt: erstens die Einstellungspraxis der 80iger Jahre, als die Absolventen der geburtenstarken Jahrgänge in den kirchlichen Dienst übernommen wurden. Es wäre spannend diese aus Verwaltungssicht als Sündenfall des Managements deklarierte Praxis einmal intensiv zu durchleuchten. Zu untersuchen, was an dieser Sicht real dran ist – und wie sich daraus ein Mythos entwickelte. Das kann hier nicht geschehen. Festgehalten werden soll hier nur, dass auch eine ganz andere Sicht dieser damaligen Praxis denkbar wäre. Dergestalt, dass die Kirche damals tatsächlich die – zuvor selbst in großen Werbekampagnen für das Theologiestudium gewonnenen (!) – jungen Christen der geburtenstarken Jahrgänge übernommen hat. Dass sie als Arbeitgeber also Wort gehalten hat. Und dass sie damit Vertrauen geschaffen hat bei den Mitarbeitenden. Zusätzlich wurde Solidarität praktiziert, indem die Pfarrerschaft in gewissem finanziellen Umfang bei dieser Praxis beteiligt wurde. Der Fehler bestünde bei solcher Sicht allerdings darin,  dass die Kirche zwar Gutes getan hätte, davon aber nicht sprach, es also versäumte, sich das Image des sozial egagiertes und handelndes „Unternehmen“ zu geben. Denn PR war in der Verwaltung unbekannt. Dieser Einwurf ist überaus verkürzt. Er soll dennoch mal so stehen bleiben.

Zweiter eingeräumter Fehler: die EKHN-Praxis aus den Jahren 1997 und 98, in denen fertig ausgebildet Jahre an Vikaren komplett die Übernahme in die EKHN verwehrt wurde. Da wird man in der Sache nicht widersprechen. Man wird aber widersprechen, wenn hier aus durchsichtigen Gründen der Versuch unternommen wird, diesen Fehler als zweimalige Episode zu verniedlichen. Das waren keine Ausrutscher, sondern das war die Spitze des Eisbergs, der hier sichtbar wurde. Das Problem, der Eisberg, war das System gegen die Schlüsselposition, gegen die Pfarrerschaft. Keine Episode, sondern System: nicht nur wurden 2 Jahrgänge nicht übernommen, jahrelang wurden in der Folge die jungen VikarInnen in aus der Bankenbranche stammenden Assessment-Center ausgefiltert; lange nachdem dies Verfahren in anderen Branchen wieder abgeschafft wurde und nachdem es in der EKHN verheerende Wirkung zeitigte, ersetzte man es 2003 durch die Potentialanalyse. Und erst 2009 ergänzte man die beiden 1. und 2. Examen mit Assessment-Center durch eine Art 3. Prüfung vor der Verbeamtung, also nach der Zeit des Pfarrvikariats. Und im Jahr 2009 trat OKR Jens Böhm seinen Dienst als Referent im Personaldezernat an. Hat die EKHN ihm diese neue Errungenschaft der 3. Prüfung zu verdanken? (Das kann in Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft noch eimmal nachgelesen werden.)

Das System greift aber weiter: in die Zeit, in der Jens Böhm Mitverantwortung im Personaldezernat trug, fällt der Plan zur Kürzung der Pfarrstellen um 2%, die sog. Pfarrstellenbemessung 2025. Kein Sterbenswörtchern der Kritik an dieser Vorlage von Seiten des OKR Böhm wurde damals bekannt. Er hätte die beste Gelegenheit gehabt, sich durch Richtigstellungen der wenigstens in Teilen konfusen Vorlage seines Vorgängers oder durch intelligente Alternativvorschläge zu profilieren. OKR Jens Böhm aber folgte seinem Dezernenten Walter Bechinger. Wer dem Dezernenten allerdings nicht folgte war die Synode der EKHN. Sie beschloss eine Kürzung um nur 1% der Pfarrstellen – entsprechend dem Rückgang der Gemeindegliederzahlen. (Zu dieser Thematik im Detail, hier mehr: Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft). 

Der Finanzdezernent Thomas Striegler, seit 2002 in Kirchendiensten und seit diesem Zeitpunkt Finanzdezernent der EKHN, steht seit seinem Eintritt in die EKHN für einen Spar- und Kürzungskurs, von dem die PfarrerInnen auf vielerlei Weise betroffen sind (in den Wort-Meldungen des Öfteren berichtet). Die Finanzpolitik war seit mindestens 15 Jahren Dreh-und Angelpunkt der gesamten Kirchenpolitik, des gesamten kirchlichen Managements. Jede Kürzung wurde mit Finanzknappheit begründet. Und die (angebliche) Finanzknappheit war Grund für manche Kürzung. Und Kürzungen betrafen vielfach die PfarrerInnen, galten die Pfarrgehälter doch als der größte Posten des Haushalts. Und damit musste man dort ansetzen. (Dies formulierte fast wörtlich in dieser – aus Managementsicht tatsächlich fatalen Form nicht Herr Striegler, sondern auf der Synode 2007 die damalige stellvertretende Kirchenpräsidentin.) Das war ein Kurs der Finanzpolitik, der dazu beitrug, dass der Pfarrberuf immer weniger attraktiv und Kirche jungen Menschen als Arbeitgeber immer weniger vertrauenswürdig erscheint (In Punkto Vertrauen der Mitarbeitenden steht die EKHN heute also am entgegengesetzten Ende der Skala im Vergleich zu Ende der 80iger Jahre – s.o.). Auch die Tatsache, dass Pfarrer heute für den Beruf selbst letztlich keine Werbung mehr betreiben, dürfte zu einem gewissen Teil auf das Konto Vertrauensverlust gehen. 

Fazit: man wird also nach dem Eingeständnis  zweier Fehler auf weitere Feherl- und Korrekturmeldungen gespannt sein dürfen

Bayern: Die nächste PfarrerInnen-Generation: Studienbedingungen – Motivation – Werbung. Von Dr. Gerhardt Knodt

von Dr. Gerhardt Knodt, Neuendettelsau

Vorbemerkungen:
An den Anfang stelle ich ein paar Kennzahlen zur Nachwuchssituation unserer Landeskirche: Im Moment stehen mehr als 420 Studierende auf der Anwärterliste für das geistliche Amt. Das ist die größte Landesliste im Raum der EKD. Nach dem Tiefststand im Jahr 2005 hat sich die Zahl der Studierenden bei gut 50 stabilisiert. Im letzten Studienjahrmeldeten sich bei der Kirchlichen Studienbegleitung 59 Studierende an. Zu den Examensanmeldungen kommen die Absolventen der Pfarrverwalterausbildung und Übernahmen geeigneter Personen aus anderen (Landes-)kirchen. Ich beschränke mich auf meinen Verantwortungsbereich, die Begleitung der Studierenden auf das Pfarramt. Dazu beginne ich mit den Studienbedingungen:

Mehr dazu.

Pommer’scher Pfarrverein lehnt Assessment-Center ab.

„Das Bewerbungsverfahren vor der Aufnahme in das Vikariat lehnen wir aus verschiedenen Gründen ab.

1. Ein Assessmentverfahren, wie es in der freien Wirtschaft üblich ist, widerspricht dem Evangelium (Mt. 7,1–2) und ist daher einer evangelische Kirche nicht würdig.

2. Die Bewerberinnen und Bewerber werden ohne Not in eine Konkurrenzsituation gestellt, die das Potential hat, einander zu verletzen; sie sollen aber später geschwisterlich ungedeihlich zusammenarbeiten.

3. Ein solcher „Persönlichkeitstest“ im Vorfeld des Vikariats bietet nicht die erhoffte Gewähr dafür, dass es künftig weniger„schwierige Personalfälle“ gibt, da die Verhärtungen, die diese verursachen, meist erst im Laufe des Dienstes auftreten…

7. Ein Verzicht auf das Bewerbungsverfahren würde die Mitglieder der Kirchenleitung und des Theologischen Prüfungsamtes sowie alle weiteren Beteiligten (und nicht zuletzt auch den Haushalt um mehrere tausend Euro) entlasten…
gehen Sie auf S. 34, zur Erklärung.

Berufsaussichten als Pfarrer „glänzend“

Studienführer Theologiestudium:

Der korrekte Lebenswandel eines Priesters oder Pfarrers ist nicht für alle Studenten eine Option. 2011 gab es im Priesterseminar nur 912 Kandidaten. Allerdings sind die Berufsaussichten für evangelische Pfarrer derzeit besonders gut, da viele der bisherigen Gottesdiener in der nächsten Zeit in Rente gehen. Vor dem Start ist allerdings noch ein Vikariat und ein Probedienst zu absolvieren, was unter Umständen einiges an Zeit kosten kann. Daher ist es ratsam sich vorab bei der jeweiligen Landeskirche zu erkundigen, welche Stationen hier zu durchlaufen sind und in welchem Zeitrahmen dies passiert. Passende Stellenangebote für Studenten und Absolventen aus Frankfurt oder anderen Städten finden sich auch im Internet.

Nach Abschluss eines Theologiestudiums haben die Absolventen beziehungsweise Absolventinnen aufgrund ihrer erworbenen Sozialkompetenz nicht nur als Pfarrer gute Berufsaussichten. Sie können als Journalisten, Berufs- und Unternehmensberater, in der Sozialarbeit oder als Notfallseelsorger tätig werden. Wer jedoch mit Leib und Seele Pfarrer werden möchte, hat aufgrund des demografischen Wandels besonders in der Evangelischen Kirche gute Chancen eine Stelle zu finden. Der Bericht.

EKiR-Synode Januar 2015: KK Krefeld-Viersen und Simmern- Traben-Trabach exemplarisch zur Pfarrstellenentwicklung in der EKiR bis 2030: „Gefahr, dass ganze Regionen unseres Kirchenkreises ohne pfarramtliche Versorgung sein könnten“

KK Krefeld-Viersen

Sehr geehrter Herr Meis,

Sie hatten um eine Rückmeldung zu den Szenarien im Bereich der Pfarrstellenentwicklung und deren Auswirkung auf die kirchliche Arbeit im Bereich des Kirchenkreises gebeten. Ich beziehe mich dabei im Wesentlichen auf Ihre Tabelle „Kirchenkreise Modellrechnung“. Demnach sinkt die Zahl der Pfarrstellen im Kirchenkreis KR-VIE von derzeit 67,25 bis zum Jahr 2030 auf 40,91; von derzeit 46,25 im parochialen Dienst auf 28,13. Die Anzahl der Gemeindeglieder pro parochialer Stelle verändert sich von 2.364 auf 3.431.

Grundsätzlich ist zu fragen, ob alle derzeit „bespielten“ Standorte weiterhin bestehen können/sollen. Präsenz in der Fläche ist das Eine, qualitativ vertretbare kirchliche Arbeit das Andere….

Es wird deshalb umso mehr darauf ankommen, in den Gemeinden deutlich zu machen, dass insbesondere zwischen 2025 und 2030 erhebliche Veränderungen eintreten werden. Die Vakanzfähigkeit der Gemeinden für diese Zeit muss vorbereitet werden. Die vorgelegte Tabelle geht von einer landeskirchlichen Gesamtzahl von 1.004 Stellen aus. Es wird sich erweisen müssen, ob die Höhe dieser Zahl realistisch ist. Beim „650er-Szenario“ wird sich die Situation erheblich verschärfen und die Notwendigkeit zu strukturellen Veränderungsmaßnahmen verstärken…. Zur Drucksache auf den Seiten 13ff.

KK Simmern-Trarbach


Da (oder gerade weil) der Predigtdienst in 60 historischen Kirchen und weiteren wenigen Predigtstätten (Anlage 2) versorgt wird, liegt der sonn- und festtägliche Gottesdienstbesuch deutlich über dem landeskirchlichen Durchschnitt. Die Hunsrücker und Moselaner halten sich zu ihrer Kirche. Je weniger Theologinnen und Theologen für diesen Dienst zur Verfügung stehen, desto größer werden die Belastungen für die verbliebenen Pfarrstelleninhaber….

Es besteht die Gefahr, dass ganze Regionen unseres Kirchenkreises ohne pfarramtliche Versorgung sein könnten… Zur Drucksache auf den Seiten 13ff.

Anmerkungen zur Pfarrstellensituation in der EKHN

Der ehemalige Personaldezernent der EKHN Dr. Walter Bechinger wurde auf der Frühjahrssynode 2014 feierlich und ehrenvoll in den Ruhestand verabschiedet.

„Ehre, wem Ehre gebührt“, so lautet ein gängiges Sprichwort. Doch wie mag es dabei den Menschen ergangen sein, die von der desaströsen Personalpolitik des Herrn Dr. Bechinger hautnah, oder sagen wir besser existentiell betroffen waren oder noch sind?
Das Credo, an dem Herr Dr. Bechinger während seiner Amtszeit bis zuletzt eisern festgehalten hat, war die Zahl der Pfarrstellen zu verringern. Zu Beginn seines Wirkens Anfang der 2000er Jahre wurde dieser Grundsatz seiner Personalpolitik damit begründet, dass die Zahl der Mitglieder in der EKHN drastisch zurückgehen würde und die Finanzkraft der EKHN damit eine Konstanz bei der pfarramtlichen Versorgung sich keinesfalls mehr wird leisten können. Die unangenehme Aufgabe, die Stellenstreichungen vor Ort in den betroffenen Gemeinden zu kommunizieren und umzusetzen, überließ man dann aber doch lieber den Dekanatssynodalvorständen, kaschiert unter den neuen Zauberwörtern „Stärkung der Mittleren Ebene“ bzw. „Dekanatsstrukturreform“. Trotz der permanent bis in die ersten Jahre des neuen Jahrtausends wiederholten Aussage, die EKHN habe viel zu viele Pfarrpersonen, wurden seltsamerweise zeitgleich immer mehr Vakanzsituationen evident. Die Reaktion, an der Herr Dr. Bechinger unerbittlich festhielt: Stellenstreichungen! Damit wurde auch die Vakanzproblematik gelöst. Die Logik ist einfach und schlüssig: Wo es keine Stellen gibt, kann es auch keine Vakanzen geben.
1998 gab es noch 1201 Gemeindepfarrstellen, 2001 wurden 1150 Gemeindepfarrstellen ausgewiesen, seit 2007 sind es noch 1036, im Haushaltsplan 2015 steht nun die Zahl 1006.
Im April 2007 verkündete die stellv. Kirchenpräsidentin Cordelia Kopsch vor der Kirchensynode, dass man in Zukunft von einer jährlichen 2-prozentigen Kürzung der Pfarrstellen ausgehen müsse. Einwänden aus der Synode begegnete sie mit dem Hinweis, dass die Zahl der Pfarrpersonen nicht mehr ausreiche, mit denen die Stellen besetzt werden könnten. Das Dilemma nahm seinen Lauf: Anstatt eines bisher ständig behaupteten Personalüberhanges wurde nun eine sich weit öffnende Personallücke deutlich. Hektisch machte der Begriff von „neuen pastoralen Räumen“ die Runde, in denen statt Koexistenz der Pfarrpersonen nun Kooperation gefragt sei, die die „pastorale Grundversorgung“ in Zukunft sichern soll.
Gleichzeitig bastelte man an einem neuen „gerechteren“ Pfarrstellenbemessungsmodell, bei dem „alternativlos“ (Zitat Dr. Bechinger) von einer jährlich 2-prozentigen Kürzung der Pfarrstellen ausgegangen wurde. Einen Paradigmenwechsel gab es aber dabei in der Begründung: Musste in der Vergangenheit immer die Litanei der zurückgehenden Finanzen herhalten, war diese Argumentation bei steigenden Kirchensteuereinnahmen plötzlich auch vor der Kirchensynode nicht mehr stichhaltig und vertretbar. Jetzt musste die angeblich überdurchschnittliche „Pastorationsdichte“ in der EKHN herhalten, um den zukünftigen Personalnotstand zu verschleiern. Auch hier wurde auf alte Lösungsrezepte zurückgegriffen, die Herr Dr. Bechinger gerne durchgesetzt hätte: Stellenkürzungen! Damit würde sogar die sich abzeichnende zukünftige Vakanzproblematik schon hier und heute gelöst. Was nicht ausgesprochen wurde, aber jedem denkenden Menschen klar war: Wo es keine Stellen mehr gibt, wird es auch keine Vakanzen geben. In dieses System passte dann auch die Absicht, durch Abschmelzung und Kürzung finanzieller Mittel in einem neu kreierten Zuweisungssystem kleine (meist ländliche) Kirchengemeinden in Fusionen zu treiben mit dem Ziel Gottesdienstorte zu „konzentrieren“. Weitere finanzielle Investitionen in kleine Gemeinden wurden als unökonomisch und nicht zukunftsträchtig erachtet: „Die Grundversorgung kleinerer Gemeinden zur Sicherstellung des gottesdienstlichen und gemeindlichen Lebens sowie der Erfüllung des volkskirchlichen Auftrages widerspricht dem Anliegen einer gerechten Verteilung der Finanzmittel. Im Hinblick auf den demographischen Wandel hat die Grundversorgung kleiner Gemeinden gesamtkirchlich gesehen keine Zukunftsperspektive.“ Die dahinter steckende Ekklesiologie ist mehr als fragwürdig! Nach außen propagierte die Kirchenleitung jedoch breitbrüstig, an einer flächendeckenden Präsenz der EKHN als missionarische Volkskirche auch zukünftig festhalten zu wollen, zudem die Vielfalt gemeindlichen Lebens und ihre unterschiedlichen Gestalten weiterhin in der Fläche zu ermöglichen.
Diese unglaubwürdige, un-glaubliche Handlungsweise hatte und hat zur Folge, dass die Zahl der am Gemeindepfarrdienst interessierten jungen Menschen weiter sank (trotz steigender Studierendenzahlen insgesamt), können sie sich doch leicht ausrechnen, welche „Mega-Pfarrstellen“ sie dereinst zu versorgen haben oder hätten. Sorgenvolle Hinweise auf einen sich damit abzeichnenden Trend zu „katholischen“ Verhältnissen, wurden von kirchenleitenden Personen als schizoid“ bezeichnet.
Trotz eindrucksvoll powerpoint-medial präsentierten Zahlen und projizierter glitzernder, sich im Sinkflug befindlichen bunten Kurven, ging die Synode den „alternativlosen“ Weg des Herrn Dr. Bechinger nicht mit, ungeachtet vehementer Auftritte des Finanzreferenten und Höchstselbst des Herrn Kirchenpräsidenten. Statt 2 Prozent wurde nur eine 1 prozentige jährliche Kürzung der Pfarrstellen beschlossen, kongruent dem durchschnittlichen Mitgliederverlust in der EKHN in Höhe von 0,9 % pro Jahr. Gleichzeitig beauftragte die Synode die Kirchenleitung mit diesem Beschluss ein Zeichen nach außen zu setzen und noch verstärkter für das Theologiestudium zu werben, was auch hoch und heilig versprochen wurde. Doch leider scheint der Ruf der EKHN nach mehr Nachwuchs nur auf verhaltenes Echo zu stoßen. Allerdings voller Enthusiasmus verkündigte jüngst OKR Jens Böhm als Nachfolger von Dr. Bechinger den staunenden Synodalen während der Herbstsynode 2014 bei seiner ersten Stellenplanrede zum Haushalt eine frohe Botschaft: Die Zahl der Theologiestudierenden auf der Liste der EKHN hat sich erhöht! Unterlegt mit einer grünen (damit wahrscheinlich seiner Hoffnung Ausdruck verleihenden) Grafik und einer steil nach oben zeigenden Kurve wurde die Erhöhung vom Jahr 2013 mit 262 Studierenden auf sage und hier schreibe 269 in 2014 gefeiert. Noch besser sieht das Ganze im Vergleich zu 2010 aus: Eine Steigerung von 246 auf aktuell 269. Ja, das sind innerhalb von fünf Jahren tatsächlich 9,4% mehr. Man mag das als Erfolg bejubeln, kann aber auch genauso gut aus diesen Zahlen herauslesen, dass vielmehr der Ruf der EKHN als glaubwürdige und solide Arbeitgeberin eher nachhaltig ruiniert zu sein scheint. Ob dafür Herrn Dr. Bechinger Ehre gebührt, sei dahingestellt.
Jedoch: In Sachen Sparen und Kürzen hat Herr Dr. Bechinger durchaus eine beachtenswerte Bilanz vorzuweisen. Jede vakante volle Pfarrstelle spart der EKHN im Jahr ca. 60.000 €. Allein in den Ausgaben des EKHN-Amtsblattes September und Oktober 2014 sind 33,25 Vollzeitäquivalente nur für Gemeindepfarrstellen (darunter viele 0,5 Stellen und etliche zum zweiten oder wiederholten Male) ausgeschrieben. Daneben stehen 5,25 Stellen übergemeindliche Stellen zur Ausschreibung. Zudem gibt es versteckte Vakanzen. Z. B. all jene (meist halben) Stellen, die dereinst nur befristet bis 31.12.2014 ausgeschrieben wurden und oftmals unbesetzt blieben und seitdem durch Vakanzvertretungen verwaltet werden und wahrscheinlich gar nicht mehr erneut ausgeschrieben werden, trotz ihrer nun verlängerten Ausweisung bis 31.12.2016. Bei einer vierjährigen Vakanz solch einer halben Stelle spart die EKHN Finanzmittel in Höhe von ca. 120.000 €, abzüglich der 132 € Schwierigkeitszulage, die eine vakanzvertretende Pfarrperson brutto monatlich erhält. Dann sind es korrekterweise „nur“ 113.664 €. Nimmt man einmal an, dass allein die im September- und Oktoberamtsblatt ausgeschriebenen Stellen durchschnittlich ein dreiviertel Jahr vakant sind, dann summiert sich dies auf eine Ersparnis von über 1,68 Mio €. Da absehbar ist, dass trotz Stellenstreichungen die Zahl der Vakanzen in naher Zukunft weiter steigen wird, spart dadurch die EKHN auf Dauer ein ordentliches Sümmchen ein; und das trotz steigender Pensionslasten, die allerdings zu einem großen Teil noch aus BfA-Ansprüchen bzw. aus der Versorgungstiftung gedeckt werden. Dies schmälert die „Verdienste“ des Herrn Dr. Bechinger nicht wirklich. Allerdings versucht die Kirchenleitung nun mittels eines neuen Internetwerbeauftritts die Kurve der Zahl der Studierenden weiter hoch zu puschen. Unter www.machdochwasduglaubst.de erklärt ein auf dem Foto angestrengt aussehender Kirchenpräsident, dass man sein Glück im Beruf als Pfarrer in der EKHN finden könne und eine „Simpleshow“ zeigt den Weg zum Pfarrberuf. Also alles ganz simpel! Fragt man da vielleicht nach den drei alten Sprachen, die es zu lernen gilt, erklärt eine permanent lächelnde Theologiestudentin: „Kein Problem!“ Da kann man nur resümieren: Nun denn, viel Glück!
Ausgesuchte nette Pfarrerinnen präsentieren sich und ihren tollen Beruf, bei dem es besonders wichtig ist, dass man ihn liebt, weil zugegebenermaßen die Arbeitssituation manchmal extreme Züge annehme, wie der „blonde Engel“ Martina Schefzyk ausführt, unterlegt durch ein Bild mit tiefem Dekolleté. Auch der auf der Herbstsynode 2014 unterlegenen Propstkandidatin Clarissa Graz merkt man es als Gemeindepfarrerin an, „dass sie das breite Spektrum ihres beruflichen Engagements genießt.“ „Es kann nie langweilig werden“, verkündigt sie strahlenden Gesichtes. „Mit der Zeit gehend, gastfreundlich, offen, modern, in ihrer Außendarstellung up to date, auch via App auf dem Handy informiert, damit die Themen und Botschaften auch junge Menschen erreichen“ so zeigt sie sich den Menschen ihrer Gemeinde, die nicht fromm den Blick nach innen richten und sich nicht allein mit Glaubensfragen und Theologie beschäftigen. Allerdings ihr Outfit in einem auffällig großflächig gemusterten Kleid, das scheint zu dem seriös-schwarzen Blazer irgendwie nicht zu passen. Da passt es aber umso mehr, dass in ihrer Gemeinde über Veranstaltungen und nächtliche Events ganz oben unterm Kirchendach mit „Licht, Klang und Wein“ sofort im Internet darüber berichtet wird, natürlich auf einer benutzerfreundlichen, frisch aufgemachten und aktuellen Homepage.
Augenblick mal…? Warum wollte Frau Graz eigentlich diese Super-Gemeinde verlassen?
Ebenso betont Pfarrer Christoph Kiworr, dass er seinen Beruf liebt: „Dass die Menschen nach dem Pfarrer schauen, ist kein Problem“, sinniert er mit verklärt-mystischem Blick direkt aus dem Pfarrhaus auf die Dorfkirche.
Da drängt sich insgesamt dem unbedarften Betrachter schon die Frage auf, warum eigentlich der EKHN ihr Nachwuchs abhandengekommen ist…?
Nun aber: Man darf im Blick auf diese mediale Glaubenslust- und Glücks-Kampagne gespannt sein auf die nächste Zahl, die Herr OKR Böhm präsentieren wird. Denn jetzt setzt die EKHN noch eins drauf: „Bewerbungen externer Studierender, Vikare und Pfarrvikare sind willkommen.“(!) Herr Böhm macht, was er glaubt. Bravo!

Anna Tamenta

Entscheidend ist der Pfarrer vor Ort. Von Prof. Enno Bünz

Prof. Dr. Enno Bünz, Leipzig. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Leserbrief in der SZ vom 06.10.14, S.15 zum Thema „Pfarrreifusionen – Schwere Last für die Kirchen“

„Dieses vehemente Plädoyer, die Kirche im Dorf zu lassen, habe ich mit großer Zustimmung gelesen. Das Gotteshaus vor Ort ist weit über die rein kirchliche Funktion hinaus ein identitätsstiftender Faktor, und dazu gehört ein Blick in die Geschichte, der bei Henkel zu kurz kommt. Theodor Fontane hat einmal treffend geschrieben, nur die Dorfkirchen „stellen sich uns vielfach als die Träger unserer ganzen Geschichte von Pfarreien dar“. Nicht nur in der Mark Brandenburg umspannen die alten Kirchengebäude mit ihrer historischen Ausstattung vielfach die gesamte Ortsgeschichte von der Dorfgründung bis zur Gegenwart. Bei den vielen dörflichen Kirchengründungen seit dem Mittelalter ging es keineswegs nur darum, ein Kirchengebäude zu errichten, sondern ebenso wichtig war es, den Pfarrgeistlichen dauerhaft zu finanzieren. Dafür musste mit Landbesitz und Einkünften eine Pfründe ausgestattet werden. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ist das Pfründenwesen abgeschafft worden, und die Pfarrer (katholische wie evangelische) wurden zu Gehaltsempfängern der Bistümer oder Landeskirchen. Die Einführung der Kirchensteuer schuf dafür Grundlagen und ermöglichte übrigens, dass die Pfarrer nun einheitlich besoldet wurden, während sie vorher als Pfründenbezieher von Ort zu Ort recht unterschiedliche Einkommenssituationen vorfanden. Dieses System der Kirchenfinanzierung hatte sicherlich seine Nachteile und Schattenseiten (arme und reiche Pfarrer), sorgte aber dafür, dass die Gemeinden ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten hatten als heute, wo über den Weg der (staatlich eingezogenen) Kirchensteuer ein Großteil der finanziellen Ressourcen nicht mehr vor Ort verbleibt. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung des Verfassers, „Amtskirche beseitigt Volkskirche“, besonders schmerzlich, denn die Amtskirche hat eine Verantwortung für die Kirche vor Ort.

Zur schonungslosen Analyse der heutigen kirchlichen Lage gehört allerdings auch der Befund, dass die Zahl der Priesterweihen in der katholischen Kirche seit über einem halben Jahrhundert massiv zurückgegangen ist und dass dieser Trend mittlerweile auch in der evangelischen Kirche wirkt. Zunehmend haben die Amtskirchen massive Probleme, alle Pfarrstellen zu besetzen. Dass die Kirchenbindung spürbar nachlässt, schlägt sich nicht nur in einer schwindenden Zahl von Berufungen nieder, sondern in einer immer geringeren Teilnahme der Gläubigen am kirchlichen Leben, auch auf dem Dorf, und in einer wachsenden Zahl von Kirchenaustritten in beiden Großkirchen. Darauf geht Herr Henkel in seinem pointierten Artikel nicht weiter ein.
Es geht aber nicht nur um das Gotteshaus auf dem Dorf, dem sich die Gemeinde verbunden fühlt, und es kommt auch nicht nur auf die lokalen kirchlichen Gremien an, in denen sich die Gemeindemitglieder engagieren können. Entscheidend ist der Pfarrer vor Ort, der das Wort Gottes verkündet und die Gläubigen anspricht. Das schafft Kirchenbindung. Wenn es darauf nicht mehr ankommt, reichen Fördervereine für die Erhaltung der Dorfkirchen.“