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Reformbegründungen und die Wirklichkeit

Christoph Meyns – Kirchenreform und betriebswirtschaftliches Denken. Modelle. Erfahrungen. Alternativen

Im Januar 2013 hat Christioph Meyns  an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum  mit einer Arbeit  mit dem Titel „Mangaement als Mittel der Kirchenreform. Betriebswirtschaftliche Anätze zur Bewältigung kirchlicher Rückbau-, Reorganisations- und Neuorientierungsprozesse“  promoviert, Im Juni 2013 ist die Disserttation  unter dem o.g Titel im Güthersloher Verlagshaus erschienen (ISBN-978-3-579-08166-3).

Meyns stellt gleich zu Beginn fest, dass der Begriff „Kirchenreform“ irreführend sei, da es in der evangelischen Kirche derzeit „um eine Restrukturierung unter dem Vorzeichen leerer Kassen im Konflikt zwischen konkurrierenden Bestandsinteressen“ gehe (S. 12f).

Wer diese aus interner jahrelanger Kenntnis der Vorgänge geschriebene Studie gelesen hat, der kann nicht mehr für die uns bis heute angepriesene Reform sein. Meyns, mittlerweile designierter Landesbischof der Braunschweigischen Landeskirche,  spricht mit sehr klaren Worten aus, worum es bei dem Versuch der Umsetzung der teuer bezahlten Ratschläge von Unternehmensberatungen geht.

 

 

 

Angedacht: Eine vorerst unregelmäßig erscheinende protestantische Wochenzeitung

Auf einem Treffen des 2007 gegründeten Gemeindebundes in Berlin-Marzahn/Nord am 23. März dieses Jahres wurde Enttäuschung geäußert über die kirchliche Berichterstattung im Blick auf die Situation im Modellkirchenkreis Wittstock-Ruppin. Stark manipulierend hatte die Öffentlichkeitsarbeit der EKBO im Vorfeld der Herbstsynode 2012 gewirkt. Die Synode beschloss dann auch mit nur ca. zehn Gegenstimmen die außerhalb der Synode umstrittene Änderung der Grundordnung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Der Vorsitzende des Gemeindebundes Rechtsanwalt Georg Hoffmann hatte im Vorfeld alle Kirchengemeinden und alle Synodalen auf diese Änderungen und deren Folgen für die Gemeinden hingewiesen. Nur ca. ein Dutzend Gemeinden, wie die aus Marzahn/Nord waren durch seinen Brief auf den Gemeindebund und die kritischen Stimmen zum Modellkirchenkreis aufmerksam geworden und daraufhin teilweise dem Gemeindebund beigetreten. Der Austausch mit ähnlich kritisch Denkenden in anderen Landeskirchen zeigte, dass Fehlentwicklungen nicht nur die EKBO betreffen, sondern auch die anderen Landeskirchen. Ebenso wurde die Abhängigkeit der dem kirchenleitendem Handeln verpflichteten Presse beklagt.
So entstand die Idee einer unabhängigen Zeitung, die die Mündigkeit der Gemeinde und ihrer Glieder fördert, auch abweichenden Meinungen Raum gibt und insbesondere Gemeindeglieder ohne Zugang zum Internet erreicht. Die Zeitung soll die Kirchengemeinden auch bei der Entscheidung unterstützen, ob sie selbständig bleiben oder dem Fusionsdruck nachgeben wollen.
Nicht nur, dass durch Fusion die Gemeinden immer größer, unüberschaubarer und anonymer werden, in den Zentren konzentrieren sich in bedenklicher Weise Macht über Mitarbeiter und Finanzmittel der Ortsgemeinden.
Jesus hat gesagt, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Zwölf Apostel hat er zu Anfang ausgewählt, nicht mehr. Um heute einen Verein zu gründen, benötigt man sieben Mitglieder, für sein Bestehen maximal drei. Viel können diese wenigen Menschen erreichen, wenn sie sich einig sind und ihre Träume gemeinsam verfolgen. Haben wir nicht den Auftrag, etwas zu bewirken und Salz der Erde zu sein?
2017 soll das fünfhundertjährige Bestehen der evangelischen Kirchen in Deutschland gefeiert werden, 500 Jahre Reformation, Thesenanschlag Luthers am 31. Oktober 1517 an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Ob es wirklich etwas zu feiern geben wird?
Ich habe arge Zweifel. Darum griff ich den Gedanken einer unabhängigen Zeitung gerne auf, um zu zeigen:
Es gilt, lebendige Gemeinden bei uns, sie dürfen nicht durch die weitere Zentralisierung kaputt gemacht und entmutigt werden. Die Lebendigkeit einer Gemeinde hängt nicht von der Zahl ihrer Mitglieder ab.

Katharina Dang
Pastorin der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Marzahn/Nord

Die erste Nummer ist zum 31. Oktober 2013 erschienen, wurde den Synodalen der EKBO am 23.10.2013 überreicht. Inzwischen sind die 10.000 Exemplare „Die Mündige Gemeinde. Eine protestantische Zeitung“  bis auf einen kleinen Rest verteilt. Auf der Webseite des Gemeindebundes ist sie einsehbar und herunterzuladen.

Limburg: keine Krise des Glaubens und der Gläubigen, sondern eine Krise der Hierarchie

Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz über die eigentlichen Gründe der Vorfälle in Limburg.

Der Klerus müsse lernen, Kritik anzunehmen. Zu Eltz beschreibt die Situation auf dem Limburger Domberg als „klinisch frauenfrei“. Das „System Kirche“ ziehe Narzissten an: „Ein Defizit an normalen menschlichen Beziehungen wird durch ein Übermaß an Autorität kompensiert.“ Das „neofeudale Getue“ müsse aufhören. Herrschaftlichkeit funktioniere nicht mehr. „Die jetzige Krise ist keine Krise des Glaubens und der Gläubigen, sondern vor allem eine Krise der Hierarchie. Zu der gehöre ich selber. Und deswegen weiß ich das auch, “ sagte zu Eltz. Lesen Sie den Artikel.

Wie belastbar sind die kirchlichen Mitgliedschaftsstatistiken?

Argumentiert wird von offizieller Seite immer mit einem langjährigen, Jahrzehnte währenden Rückgang der Kirchenmitglieder um 1% p.a. Daran werden verschiedentlich Zweifel geäußert. Die offiziellen Zahlen belegen zwar die These. Allerdings berücksichtigen sie u.a. nicht, dass die Mitgliederzahlen in den 90iger Jahren ‚bereinigt‘ werden mussten. So wurden z.B. in der EKKW bis Mitte der 90iger Jahre Mitglieder auch am Zweiwohnsitz gezählt. Dies erfährt man in einer kleinen Anmerkung der entsprechenden Statistik der ekkw_2013.  Dort steht die Anmerkung: “ (1) Zählung ab 1995 ohne 2. Wohnsitze“. Die Gemeindeglieder mit doppeltem Wohnsitz waren also bis dahin (1995) zwei mal in der Statistik. Mit der Datenkonsolidierung sank selbstverständlich die Zahl der Kirchenmitglieder überproportional. Dies war in anderen Landeskirchen auch so. Und es ist nur ein Argument für das genau zu betrachtende und zu hinterfragende Argument der sinkenden Kirchenmitglieder.

Mehr dazu erfahren Sie im Artikel „Sinkende Kirchenmitglieder?“ von Pfrin Katharina Dang in einem Artikel der wort-meldungen.

Unbezahlbarer Sozialstaat? Rückläufige Sozialleistungsquote seit 2009

Das Ergebnis der Untersuchung zur langjährigen Entwicklung der Sozialleistungsquote des Staates:

Kurz gefasst:

…In der Summe aller Leistungen errechnet sich für 2011 ein Volumen von 767 Mrd. Euro.

 

Als zentraler Indikator für die wirtschaftliche Leistungskraft eines Landes gilt

das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Deshalb ist es üblich, die Sozialleistungen in Beziehung zum BIP zu setzen. Die so ermittelte Sozialleistungsquote zeigt für 2012 einen Wert von 29,6 %.

– Bemerkenswert ist der recht stabile Verlauf der Sozialleistungsquote seit Mitte der 1990er Jahre, nachdem in den Jahren zuvor die sozialen Folgekosten der deutschen Einigung für einen Zuwachs geführt hatten.

Zu Diagramm und zur Studie.

Herbstsynode der EKBO – wichtige Finanzbeschlüsse

Der Herbstsynode der EKBO wird äußerst wichtige Finanzentscheidungen treffen. Es geht dabei nicht nur um die Finanzierung der Kreiskirchlichen Verwaltungsämter sondern um die Zukunft der Eigenständigkeit und Überlebensfähigkeit der Gemeinden.

Die Vorlagen sind einsehbar unter der Drucksache 11.  Zwei Varianten stehen zur Auswahl. Es sieht so aus, dass die Kritik im Vorfeld in den Kirchenkreisen so stark war, dass die Kirchenleitung auch mit der Möglichkeit rechnet, dass die Synode dem 2. Vorschlag zustimmt und damit die Verantwortung für die KVÄ bei den Kirchenkreisen bleibt und damit scheinbar alles beim Alten.

Übersehen wird dabei leicht, dass über das Pflichtleistungsgesetz auch abgestimmt werden soll.
Neu ist zur bisherigen Praxis vor allem die Erstellung einer Eröffnungsbilanz, die natürlich viel Arbeit macht (= Kosten verursacht), ebenso ihre ständige Aktualisierung und statistische Auswertung. Dies ist aber alles auf der EKD-Synode 2010 schon beschlossen und in der EKBO seit 2012 eingeführt worden sowie der Sinn des neuen Buchungsprogramms Kigst. Wie man bei den Arbeitszeitberechnungen für eine Vollzeitkraft sieht, schafft eine Kraft wesentlich weniger Buchungen als vorher mit der Kameralistik.

Hingewiesen wird auf die Erfahrungen in der Pfalz und der EKM sowie einer Evaluation aus der Württembergischen Landeskirche, aus denen ja gerade die Kritik zu hören ist, so aus dem Rheinland von Hans-Jürgen Volk mit Hinweis auf http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/ekir/verwaltungsstrukturreform-und-nkf.php.

Die Kritiker werden die Synode als Erfolg verbuchen, wenn die zweite Version durchkommt und gar nicht merken, dass es grundsätzlich doch im sogenannten Reformprozess weitergeht, sprich, dass es in Hannover und Berlin möglich wird, einen Überblick über sämtliche Immobilien- samt Inventar-Vermögenswerte einen stets aktuellen Überblick zu haben – und dies auch noch bei entsprechendem Passwort mobil auf dem Handy.

Die dafür nötigen Kosten werden den Gemeinden aufgebürdet:
– durch Vorwegabzug von 2013 (Überschüssen dank hoher Kirchensteuer)
– durch Gebühren für Zwangs-Verwaltung unserer Rücklagen und für Bauhaushalte
– und durch die weitere Finanzierung der teuren technischen Ausstattung durch die Kirchenkreise, von denen bisher öffentlich noch nicht die Rede war, jedenfalls bei uns nicht.

Deutlich wird auch, dass wir in den Gemeinden demnächst die Kirchenbücher elektronisch führen sollen. Das heißt für uns Mehrarbeit und hat mit dem Eintragen in echte Bücher als irdische Exemplare des biblischen Buches des Lebens, in das unsere Namen geschrieben sind, nichts mehr zu tun. Da haben es die Orthodoxen doch gut, die gar nichts aufschreiben.

In den ganzen Texten und auch in den allermeisten Stellungnahmen kommen die Ehrenamtlichen in den Gemeinden, die sich bisher um Baufragen gekümmert haben, überhaupt nicht vor, wie überhaupt das Potential, was Ehrenamtliche in den Gemeinden auch auf dem Gebiet der Verwaltung leisten und bei der Pflege von Gebäuden, Friedhöfen usw. Bei uns ist das jedenfalls sehr, sehr viel. Den Gemeinden werden hiermit, sämtliche Rechte entzogen, etwas in Eigenregie zu machen. Wie Sachbearbeiter in den KVÄ’s es bei den Entfernungen schaffen sollen, die in den Vorlagen genannten Zahlen von z.B. Wohnungen wie bei einer normalen Wohnungsverwaltung zu verwalten, ist mir schleierhaft. Es wird sich auf sorgfältig abgeheftete Papiere beschränken, die dann dort in Ordnern stehen und die wir vor Ort ausfüllen müssen.

Was wirklich angedacht ist und kommen soll, kann man sehr gut auf der EKD-Seite zu Finanzen sehen: http://www.ekd.de/kirchenfinanzen/assets/Konzept_fuer_die_kirchliche_erweiterte_Kameralistik_-_Neufassung_2011.pdf. Dort auf S. 3 heißt es unter dem Abschnitt “Erweiterte Kameralistik”: “Einem umfassenden Berichtswesen kommt aufgrund veränderter Darstellungen, aber auch komplexer werdender Informationen zukünftig eine besondere Bedeutung zu. So sind detaillierte Vorberichte für die Haushaltsplanung wie auch ein Anhang für den Jahresabschluss unabhängig vom Rechnungsstil vorgesehen.”

Aus der Vorlage 11 wird aber nun auch ersichtlich, wer beraten hat: das Unternehmen Steria Mummert Consulting (http://www.steria.com/de/), das auch die Rheinische Kirche beraten hat. Mit “Salz der Erde” 2007 begann dieser Prozess für das Kollegium des Konsistoriums! Auf der Herbstsynode 2007 wurde er in der Drucksache 07 der Synode erstmalig zur Kenntnis gegeben.

Die Ziele der neuen Haushaltsordnung waren schon in der 17seitigen Begründung der neuen HKVG der Frühjahrssynode der EKBO 2010 auf S.. 2, der Drucksache 08 deutlich ausgesprochen worden: Hinweisend auf die EKD HHO wird gesagt: „ Ziel war die Entwicklung eines Ressourcenaufkommens- und verbrauchskonzeptes, das die Transparenz der kirchlichen Haushalte verbessert und deren wirtschaftliche Steuerung erleichtert. Auch soll das gesamte mobile und immobile Vermögen und die Schulden der kirchlichen Einrichtungen im Vermögensnachweis (bisher Vermögensrechnung) erfasst und bewertet werden. Ein Paradigmenwechsel soll dadurch eingeleitet werden, das bei der Planung und Darstellung die Ergebnisse der kirchlichen Arbeit, also der- mit den Worten der EKD-Papiere – ‚Output – der Einrichtung Kirche im Vordergrund stehen.“….“Dies wird im Haushaltsbuch für die einzelnen kirchlichen Handlungsfelder … dargestellt. Dadurch stehen denjenigen, die über Haushalte zu entscheiden haben, Informationen zur Verfügung, anhand derer beurteilt werden kann, welche kostenmäßige Auswirkung die jeweilige Entscheidung hat. Dabei geht es um eine Befähigung zur strategischen Steuerung einer Körperschaft mit Hilfe eines ‚entscheidungsorientierten Rechnungswesens‘, dessen wichtigstes Instrument die Ziel- und Leistungsbeschreibungen sind. “(Hervorhebungen von K.D.)
Die Synode der EKBO hat eine Alternative: Die Annahme der Vorlage 12, den Antrag des Sprengels Marzahn, die Verwaltungskosten in der EKBO nicht zu erhöhen. Damit allerdings müssten dann auch die frühere Fehlentscheidung korrigiert werden, die Bilanzeröffnungen zur Pflicht macht.
Dr. Katharina Dang

EKHN Jahresbericht 2012/2013 IV: Die Realwertstatistiken der Kirchensteuereinnahmen

von Friedhelm Schneider. Die Kirchensteuereinnahmen steigen nominal. Das passt nicht zur „großen Erzählung“ der Finanzdezernate sinkender Steuern. Immer und immer wieder wird daher auf die Entwicklung der (inflationsbereinigten, daher niedrigeren) Realwerte rekurriert, um die genannten Thesen zu stützen. Durch die Betonung des Realwertes – wie es auch wieder im Jahresbericht der EKHN 2012/2013 (vgl. S. 6) geschieht – wird suggeriert, der EKHN ginge es finanziell schlecht. Das ist natürlich grober Unfug und eine Irreführung der LeserInnen. Bei einer traumhaften Steigerung der Kirchensteuern um 9% von 2011 auf 2012 (real: 7%), kann davon keine Rede sein. Im Vergleich lagen die Steigerungsraten etwa in den 80iger Jahren bei durchschnittlich 3,5% (EKD- Statistik; vgl. Lienemann, Finanzen der Kirche, S. 868) und in den Nuller Jahren bei durchschnittlich 1,5% (EKHN Statistik in: Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, (vgl. Artikel „Pfarrstellenbemessung 2025“, S.5). Das passt kaum zur „großen Erzählung“ der Finanzabteilungen. Und da die Fakten diese Erzählung nicht stützen, bemüht man also den Realwert der Steuerentwicklung. Aber auch da gibt die EKHN- Statistik eine vielleicht erstaunliche Auskunft: selbst an der Realwertentwicklung ist erkennbar, dass der Wert von 2012 real genau so hoch ausfällt wie die Werte Anfang der 90iger Jahre! Und damals fielen die Steuereinnahmen  die konjunktur- und wiedervereinigungsbedingt besonders hoch aus. Und dass die Kirchen im Jahr 2000 ein Angebot des Staates auf Kompensation der Kirchensteuerausfälle infolge der Einkommensteuerreform verzichtet haben, wäre auch noch zu berücksichtigen. vgl. den Artikel von Prof. Lührs in den zeitzeichen.
Kurz: der Realwert von 1992 und der von 2012 sind identisch. Eine Aussage, die nicht ins Konzept der großen Erzählung passen will. Man muss nachhelfen. Das geschieht mit einer auf wie gesagt hohem Realwertniveau beginnenden und tatsächlich leicht nach unten zeigenden Trendlinie.  Ist die Trendlinie nur ganz leicht schräg, so die dahinter stehende Aussageabsicht aber stark schräg. Denn eine arme EKHN gibt es nicht. Dazu mehr in den nächsten Ausgaben.

 

Zehn Thesen zur Demokratie innerhalb der Kirche – 2 Anmerkungen

Im deutschem Pfarrerblatt hat Eberhard Pausch zehn Thesen zur Demokratie innerhalb der Kirche aufgestellt. Sie geben interessante Anstöße um über die Verfasstheit unserer Kirche nachzudenken. Prägend ist der Begriff der Laokratie, die aus der Beziehung Gottes zu seinem Volk abgeleitet ist. Sie hat mehrere Gemeinsamkeiten mit den Grundprinzipen und Strukturen der Demokratie mit der sie sympatisiert. In einigen Aspekten, wie der Wehrhaftigkeit oder der Einheit von geistlicher und rechtlicher Leitung. Auch ist der Zweck der Kirche als Verkündung des Evangeliums außerhalb jeder Diskussion.

 

An zwei Stellen will ich jedoch noch Ergänzungen anbringen, die der Laokratie vielleicht noch einmal einen neuen Aspekt geben.

 

Die erste These beschreibt zu Recht, dass Demokratie kein Thema der Bibel ist. Die Grundlegenden Herrschaftsinstitutionen werden bestätigt obwohl man sie auch schon als problematisch verstehen konnte.

Dieser These möchte ich gerne noch expliziter das prophetische Potential der Bibel beifügen. Dieses geht über die Egalität der ersten Gemeinden hinaus. Im hebräischen Kanon müssen sich jüdische Herrscher immer wieder an der Gerechtigkeit als Auftrag Gottes messen lassen. Gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch gehen ProphetInnengruppen mit der Macht des Wortes vor. Auch Jesus kritisiert zum Beispiel im Gleichnis der Pächter im Weinberg (Math21,33-46) eine Spirale der Gewalt, die beide Parteien für sich vereinnahmt.

Der Anspruch der Herrschaft Gottes führt dazu, das konkrete Missstände der bestehenden Herrschaft, sofern sie mit Gottes Anspruch unvereinbar sind, benannt werden. Gleichzeitig ist das Vorgehen gegen diese Missstände keine Revolution sondern ein Appell den Willen Gottes zu folgen.

Zusammengefasst würde ich den biblischen Befund daher ergänzen: Die Kenntnis von der Gerechtigkeit Gottes führt dazu, dass Menschen Machtmissbrauch, der die Lebensgrundlagen entzieht angeprangert wird.

 

Als zehnten Punkt gibt Pausch einige Anregungen, wie die Partizipation innerhalb der Kirche verändert werden kann. Die Ideen sind als Einladung zur Diskussion gedacht. An der will ich mich auch beteiligen. Viele der Diskussionspunkte benutzen Analogien zu unserer parlamentarischen Demokratie. Da sich die Laokratie auch von der Demokratie unterscheidet, will ich mich für ein altes Werkzeug der Beteiligung stark machen: die Akklamation.

Sicherlich wurde in der Antike mit diesem Prinzip real mehr Schindluder getrieben, als das es Partizipation sicherte. Dennoch stellt sich die Frage der Akklamation auch in der Gegenwart. Auf den Kirchentagen wird das Prinzip des spontanen Konsens immer wieder praktiziert.

Institutionell lassen sich auch noch andere Möglichkeiten nutzen. Warum sollten nicht auch Seminare, Gemeinden und Fachtage die Möglichkeit haben über eine Akklamation zu partizipieren?

Sicherlich müssten feste Verfahrensregeln etabliert werden, die Akklamationen überprüfen.

Zum ersten Mal: Eine Folge kritischer Fragen und Stimmen zum Reformprozess im EKBO-Wochenblatt „die Kirche“

In der evangelischen Wochenzeitung „die Kirche“ erschien in der Nr. 26 vom 30. Juni 2013, S. 3 das erste Interview einer mehrteiligen Folge zum Reformprozess der EKD. „Auf den Geist Gottes Vertrauen“ ist der ganzseitige Artikel überschrieben. In der Überschrift wird Isolde Karle’s Meinung hervorgehoben: „Der aktuelle Umbau in den evangelischen Kirchen orientiere sich zu sehr an Profit-Unternehmen.“ Zum Weiterlesen wird ihr Buch empfohlen: Kirche im Reformstress, Gütersloh 2010. Isolde Karle ist Professorin für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität in Bochum und lebt mit ihrer Familie in Stuttgart.

Eine Woche später, in der 27. Ausgabe vom 7. Juli 2013, S. 9 kam Heinzpeter Hempelmann zu Wort, Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg und „Referent für die EKD-Denkfabrik ‚Mission in der Region‘ in Stuttgart“. Er wurde von Martin Rothe nach den Ergebnissen des Heidelberger Sinus-Instituts befragt und plädiert für „Pfarrer als Teamplayer auf regionaler Ebene. Gemeinsam sollen sie zuständig sein, möglichst viele Milieus in ihrer Region zu erreichen. Dies befördere nicht die Segregation, denn die gebe es jetzt schon. Das Bild vom Leib Christi überträgt er auf die verschiedenen Milieukirchen, die sich von Zeit zu Zeit zum Feiern und Bekennen des gemeinsamen Gottes treffen sollten.

In der 28. Ausgabe vom 14. Juli 2013 wird auf S. 6 in einem längeren Leserbrief von Gudrun Thiem aus der Matthias-Claudius- Gemeinde Berlin-Heiligensee große Dankbarkeit über die Meinungen von Isolde Karl geäußert und der fehlende Realitätsbezug des Reformpapiers „Kirche der Freiheit“ betont. Frau Thiem schreibt: „Oft habe ich den Eindruck, dass die Basis schon viel weiter ist, als alle mit viel Aufwand hergestellten Papiere, deren Durcharbeitung den mit drängenden Problemen beschäftigten GKRs zusätzlich zugemutet wird. Ärgerliches Beispiel: das Arbeiten mit Zielen. Als ob solches nicht schon von jeher die Voraussetzung dafür wäre, dass lebendige Gemeinden entstehen, und zwar durch das Engagement vieler, in verschiedenen Bereichen kompetenter haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter.“

Auf S.9 folgt das dritte Interview von Martin Rothe zum Reformprozess, dieses Mal mit Jan Roß, dem Zeit-Redakteur und Autor des Buches „Zur Verteidigung des Menschen. Warum der Mensch Gott braucht“, Rowohlt-Berlin Verlag 2012. „Europa braucht ein Christentum, das nicht labert, sondern Güte und Liebe ausstrahlt.“ ist seine These. Er fragt: „Wie soll eine evangelische Kirche überleben, die nicht zu sagen weiß, was sie glaubt, und die kaum noch Gläubige hat.“ Die evangelikalen Kirchen würden die der Zukunft sein, während der „Mainstream-Protestantismus“ von heute verschwinden werde. Die Gesellschaften seien schon jetzt religiös fast völlig erkaltet.

Doch die Redaktion überschrieb den Artikel mit großen Buchstaben: „Heilig und auf der Höhe der Zeit.“ Lassen wir uns überraschen von den nächsten Folgen der Serie!

Dr. Katharina Dang

Jahresbericht 2012/13 der EKHN III: von irren und irrenden Prognosen

von Friedhelm Schneider

Die Kirchensteuereinnahmen steigen 2013, sie stiegen auch schon 2012. Das will zur „große Erzählung“ der kirchlichen Finanzabteilungen,  der Sage von den sinkenden Kirchensteuern aufgrund sinkender Kirchenmitliedschaftszahlen, der in der EKiR so betitelten „einfachen Formel“, ganz und gar nicht passen. 

Wie geht man damit um? Ein Blick in den neuen Jahresbericht der EKHN für 2012/2013 gibt Auskunft (Vgl. S. 6. Überschrift: „Gute Haushaltssituation auch dank vorausschauender Planung“).

Dieser Beitrag lohnt der genaueren Analyse. Wir nehmen Sie in mehreren, kleinen Schritten in dieser und den kommenden Ausgaben vor. Dieser Beitrag verdeutlicht a. wie stark (und erfreulich positiv) wie auch in den letzten Jahren die Realität von den früheren Prognose abweicht (vgl. 1.); b. wie die Prognosen gemacht werden.

 

1. Irrende Prognosen

Vergleichen wir das Ergebnis der letzten Jahre 2011 und 2012 mit der letzten Prognose für diesen Zeitraum  gemäß den veröffentlichten Zahlenangaben der EKHN (!) aus dem Jahr 2011 (entnommen dem Reader zur Pfarrstellenbemessung der EKHN von 2011):

Diagramm IrrendeIrrende_Prognose Prognosen

(zum download Diagramm Irrende Prognosen)

Wir stellen fest: die – negativen, weil einen Kirchensteuerrückgang der Nettokirchensteuer (!) prognostizierenden Zahlen für 2011 und 2012 sind nicht eingetroffen. Die tatsächlichen Einnahmen liegen in 2011 um 24 Mio. € über der Prognose (+ ca. 6%) und im Jahr 2012 sogar um 37 Mio. € (+ 9%) über der im Jahr 2011 für das Jahr 2012 getroffenen Prognose. Nun könnte man sagen: Prognosen können fehlen. Das stimmt. Das müssten sie aber bspw. Nicht in einem Jahr wie 2013. Der Staat verzeichnet wiederum Steigerungen der Lohn- und Einkommensteuer, die sich auch in 2013 bei der Kirchen durch höhere Kirchensteuereinnahmen niederschlagen werden. Die Prognose für 2013 lautet aber wieder Einbruch. Und zwar um ca. 6% wie schon im Jahr 2011. Empirisch ist sie schon heute widerlegt. Man kann das nicht allein mit Dilettantismus erklären. Wie aber dann?

2. Irre Prognosen

Auch ein Vergleich der Prognosen aus dem Jahr 2011 für den Zeitraum von 2011 bis 2014 mit den Prognosen von heute, 2013, für den Zeitraum von 2013 bis 2016 ist aufschlussreich.Hier in zwei Abbildungsversionen:

Diagramm IrreIrre_ Prognosen Prognosen

(download Diagramm Irre Prognosen)

Wir stellen eine nahezu identische Prognosekurve in Bezug auf den statistischen Ausgangswert (jeweils der erste Balken) für die jeweiligen Folgejahre fest. Das mag erstaunen. Denn mit den unterschiedlichen empirischen Wirtschaftsdaten von 2011 und 2013 können die identischen Prognosen ja nicht erklärt werden. Es verwundert auch, dass die Prognosen nicht den Mitgliederrückgang abbilden. Denn dieser Kausalzusammenhang zw. Mitgliederrückgang und Rückgang der Finanzmittel ist ja wesentliches Fundament der „großen Geschichte“ der kirchlichen Finanzabteilungen. Handelt es sich bei der Prognose etwa nur um einen in der Software eingestellten Prognosealgorithmus, der der Einfachheit halber – und weil man unterstellt, dass niemand nachprüft – auf Dauer gestellt wurde? Dies ist natürlich eine ironische Unterstellung – klar. Der ernste Hintergrund: es fällt den Finanzdezernenten zunehmend schwerer, die Diskrepanz zwischen dem Dogma der „einfachen Formel“ und der empirischen Realität zu kaschieren. Solche Diskrepanzen sind untrügliche Zeichen für  – untaugliche – Ideologien. Davon muss sich die Kirche dringend verabschieden. Denn Ideologien führen zuerst in die autoritäre Herrschaft – und in fortgeschrittenem Stadium zu einer Verwandlung der Existenz aus der Wirklichkeit ins Geschichtsbuch. Die DDR lässt grüßen. Und das hat die Reformation, das hat der Protestantismus nicht verdient.

 

Wir sind sicher: das nächste mal wird alles besser. Mindestens aber wird der Prognosealgorythmus geändert werden…

Kürzlich meinte jemand im Gespräch, in der Finanzpolitik der Kirche bräuchte es eine neue Ernsthaftigkeit. Er dürfte recht haben.