Archiv des Autors: Alexander

„Schiebt es nicht auf die Banken!“

Die automatische Erfassung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge wird für die neue Austrittswelle aus den Kirchen verantwortlich gemacht. Seit dem gibt es regelmäßig gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Kirchen und Banken über die Kommunikation.

Die Zeit interviewte den Nordrheinwestfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans zur Kirchensteuer: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Steuer nur der Anlass und nicht der Grund für die Austritte ist. Viele Kirchenmitglieder fühlen sich der Amtskirche offenbar nicht mehr verbunden. Das ist so, als ob man seit Jahrzehnten in einem Verein passiv Mitglied ist. Plötzlich kommt ein Brief: Der Mitgliedsbeitrag wird um zehn Cent erhöht. Das macht einen erst darauf aufmerksam, dass man schon lange hätte austreten können. Es ist ein Erinnerungsposten.“ so Walter-Borjans Einschätzung der Lage.

Das Interview zeigt interessante EInblicke in die Kirchensteuer aus der Perspektive der einziehenden Behörde.

Mord als Gottesdienst

Jede Religion entwickelt religiös motivierte Gewalt. Für den emeritierten Professor Friedrich Wilhelm Graf muss es daher in der Religion selbst eine Struktur geben, die Gewalt begünstigt.

In einem Artikel in der FAZ geht er daher der Frage nach, warum fast jede Religion den Gedanken von Mord als Gottesdienst entwickelt. Gewalt ist das Mittel um die irdische Ordnung der kosmischen von Gott oder den Göttern gewollte Ordnung anzupassen. Die Allmacht der göttlichen Wesen wird zum Katalysator für Gewalt. „Die Gott zugeschriebene Allmacht ist allgefährlich, weil sie sich jeder menschlichen Kontrolle entzieht und so vielfältig missbraucht werden kann. „ Der Fromme Gewalttäter meint nicht nur an der kosmischen Ordnung zu partizipieren, sondern auch die Allmacht seines Gottes für sich zu beanspruchen. „Aber sie entsprechen nur der inneren Logik des auf Gott bezogenen Allmachtsgedankens: Weshalb sollten, wenn Gott omnipotent ist, seine getreuen Diener daran nicht teilhaben dürfen? Und weshalb sollte die terroristische Zerstörung ziviler Sozialität nicht als Akt des gottgewollten Neuschaffens gedeutet werden? „

Diese Muster lassen Gewalt durch alle Religionen entstehen. Woran es liegt, das Religion angesichts der Allmacht, kosmischen Ordnung und der Ewigkeit gleichzeitig auch zu einer Ehrfurcht vor dem Unvollständigen, Endlichen und ungeordneten entwickelt und sogar Macht begrenzen, kann Graf leider nicht erklären.

Der Artikel lehrt mich nur eines in diesem Konflikt. Demut statt Überheblichkeit.

Kirchenasyl als bewusster Rechtsbruch

Das Kirchenasyl bringt den Rechtsstaat nahe an eine Zerreisprobe. Alleine in Bayern sind 70 aktuelle Kirchenasyle bekannt. Gemeinden entscheiden sich damit offen deutsches Recht zu brechen, da sie geltende Gesetze als ungerecht empfinden.

Der Bayrische Rundfunk beleuchtet einige Hintergründe.

Elisabeth von Rochlitz – eine Säule der Reformation

Die Reformation setzte viele Impulse zur Emanzipation. Christen und Christinnen sahen sich mit existentiellen Fragen ihres Glaubens konfrontiert und beantworteten sie nach eigener Überzeugung. Diese neu gewonnene Freiheit führte dazu, dass sich viele Menschen mutig für ihre Überzeugung auf beiden Seiten einsetzten.

Längst hat sich in der Forschung durchgesetzt die Reformation nicht mehr auf einige wenige Protagonisten zu begrenzen. „Reformatorische Zirkel“ war ein schönes Wort meiner Kirchengeschichtsvorlesungen, dass den Korrespondenzen, Disputen und gemeinsamen Anstrengungen gut Rechnung trägt. Als Student wurde für mich die Welt der Reformation facettenreicher und tiefgründiger. Nicht ein Gedanke oder eine Person, sondern ein Komplexes Werk vieler Impulse, dass ich verstehen, gewichten und bewerten konnte.

Eines hatten die reformatorischen Zirkel dennoch gemein. Sie bestanden aus gelehrten oder mächtigen Männern.

Zum 500 jährigen Jubiläum der Reformation feiert die EKD die Lutherdekade. Vor allem Regional wird dennoch an die Mitreformatoren erinnert.

Spannend ist eine Ausstellung in der Burg Rochlitz. Unter dem Titel „Eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation“ lockt eine Sonderausstellung zu Elisabeth von Rochlitz. Sie setzte in ihrem Wittum gegen ihren Schwiegervater Georg den Bärtigen die Reformation durch. Als einzige Frau im Schmalkaldischem Bund lieferte sie wichtige Geheiminformationen und stand mit den Hauptmännern in Kontakt. Dabei versuchte sie auf eine Friedliche Lösung zu drängen.

Ein guter Schritt auch die vielen Starken Frauen der Reformation in das öffentliche Bewusstsein zu rufen. Meine Lieblingsband hat es in einem gutem Wortspiel unbewusst auf den Punkt gebracht: „His story will be history an my story is just a waste of time.“

Lesen Sie auch hier einen Zeitungsartikel zur Ausstellung.

Die Tagebücher des katholischen Feldgeistlichen Fridolin Mayer zum erstem Weltkrieg

Der erste Weltkrieg, wird in letzte Zeit immer wieder durch die persönlichen Berichte von involvierten historisch neu aufgearbeitet. Eine wichtige Quelle sind dabei Tagebücher von einfachen Menschen, die ihre Erlebnisse schildern.

Ein Blog veröffentlicht nun die Tagebücher des Feldgeistlichen Fridolin Mayer. Mayer meldete sich freiwillig zum Dienst als Feldgeistlicher. Nach Ansicht der Betreiber sind die Texte in folgenden Hinsichten interessant:

 

  1. Sie geben zum einen Einblick in das Denken des katholischen Klerus aus dem Südwesten (u. a. Überreste des Kulturkampfes, weiterhin Aversion gegen den Protestantismus).
  2. Zum anderen ermöglichen sie Einblicke in die Mentalität der katholischen Soldaten an der Front und in die Bedeutung, die der Religion zuweilen noch in der modernen Erfahrung des Krieges zukommt.
  3. Sie geben Aufschluss über die Praxis der Feldseelsorge unter den Bedingungen der modernen Materialschlacht.
  4. Darüber hinaus bieten sie Informationen zur Landesgeschichte, zu den Soldaten aus dem Südwesten sowie zur Erfahrung von Kriegsausbruch und Julikrise in Freiburg und Umgebung.
  5. Schließlich stellen sie eine nicht unerhebliche Quelle zur Geschichte des katholischen Klerus des Erzbistums Freiburg im beginnenden 20. Jahrhundert dar.

Machen Sie sich hier ein eigenes Bild.

Die Genderdiskussion in den Kirchen

Seit Jahren wird innerhalb der evangelischen Kirchen ein Diskurs über Genderfragen geführt. Dazu gehören die Bibel in gerechter Sprache, die neue Bewertung von Ehe und Familie, der Vorsatz hohe Kirchenämter ausgeglichener zu verteilen und die Einrichtung eines Studienzentrums für Genderfragen.

Damit trägt die Kirche einen wichtigen Baustein zu einer gesamtgesellschaftlichen Debatte um die Zukunft von Lebensumständen bei. Dafür gibt es viel Kritik von Traditionalisten und Rechten. Aber nun auch ein dickes Lob von der Taz.

Journalistische Blitzlichter auf den Gazakrieg

Der aktuelle Konflikt um den Gazastreifen lässt sich in seiner Komplexität kaum abbilden. Heinz Sigmund hat uns dankenswerter Weise einige Links herausgesucht, die als Schlaglichter einige Aspekte des Konflikts beleuchten.

1. Amos Oz hat in einem Interview mit der Deutschen Welle seine Interviewer mit zwei Eingangsfragen verblüfft, die sich mit einer in unserer Presselandschaft sehr vernachlässigten Fragestellung auseinander setzt: Welche Alternativen hat Israel eigentlich in der gegenwärtigen Situation? Oz beschreibt Israels Lage als „Lose-Lose- Situation“. Das ganze Interview ist in englischer Sprache.

2. Als erstes stirbt im Krieg bekanntlich die Wahrheit. Zum Gaza-Krieg meinen freilich viele dieselbe zu besitzen. Richard Schneider, ARD- Israel- Korrespondent, beschreibt in der FAZ seine Erfahrungen mit der schwierigen Suche nach „der Wahrheit“  im Gaza- Konflikt.

3. Anette Kahane von der Amadeu- Antonio- Stiftung setzt sich mit dem Antisemitismus in Deutschland in der Diskussion über den Gaza-Krieg auseinander.

4. In einem älteren Artikel hat die Israel-Korrespondentin der TAZ für CHRISMON  versucht eine Übersicht über die Entwicklung hin zum Gaza-Krieg gegeben.

Für Pfarrers Renten spekulieren Kirche an der Börse

Gerne reklamiert die Kirche ein moralisches Wächteramt. Sie will die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen. Zur Finanzkrise schrieb der Rat der EKD die Denkschrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer. Darin wurde das Profitstreben der Finanzindustrie kritisiert.

Doch gleichzeitig beteiligen sich die Kirchen mit ihren Pensionsfonds als Großinvestoren am Finanzmarkt.

Christoph Fleischmann betrachtet in seinem Radiofeature den ethischen Anspruch und die Realität der Pensionsfonds.

Lesen Sie hier das Script: Für Pfarrers Rente spekulieren die Kirchen an der Börse.

Kultur des Rufens

Vielen Gemeinden fällt es schwer engagierte Personen als Ehrenamtliche zu gewinnen. Besonders offensichtlich wird dies, wenn es darum geht KandidatInnen für einen Kirchenvorstand aufzustellen.

Bischof Albert Rouet musste in seiner Dieszöse Priester einsparen. Aus der Not entwickelte er ein neues System von Sektoren. Ein Priester ist für mehrere Gemeinden zuständig. Hauptsächlich Ehrenamtliche leiten die Gemeinden als Equipe. Diese Equipe wird auf drei Jahre gewählt und die Mitglieder dürfen nur ein weiteres mal kandidieren.

Das System hat zu tiefen Änderungen in den Gemeinden geführt. Um den Bedarf an ehrenamtlichen LeiterInnen zu decken, muss die Kirche eine „Kultur des Rufens“ etablieren. Auch in der Dieszöse kennen die Schwierigkeit geeignete KandidatInnen zu finden. „Doch nach sechs Jahren müssen andere Personen gerufen werden. Dann beginnt das Jammern und Stöhnen. ‚Das wird nie klappen! Nach uns gibt es niemanden mehr! Da ist keiner in Sicht!“

Für dieses Problem gibt Bischof Rouet einige gute Tipps. So hat es sich bei ihm bewährt die Verantwortlichkeit zeitlich zu begrenzen: „Wenn in einer Pfarrei die Katechese seit siebzehn Jahren von ein und derselben Person erteilt worden ist, kann man getrost davon ausgehen, dass sich für sie kein Ersatz finden wird. Kein Freiwilliger wird bereit sein, sich auf einen nicht terminierten Vertrag einzulassen „

Die Kultur des Rufens muss die Gemeinde durchdringen. Viel zu oft begreift man sich selber als Berufener ohne selber zum Rufender zu sein. Doch gerade in der Kultur des Rufens stecken Möglichkeiten für die Kirche. Sie zwingt über den Tellerrand der Kerngemeinde heraus zu blicken. Neue Wege zu gehen und Freiheiten zu nutzen.AJ.

Lesen Sie hier den Artikel der Theologischen Hochschule Chur zur Kultur des Rufens.

Rückzug von der Bühne

Kommentar zum vorzeitigen Ausscheiden von Nikolaus Schneider als Ratsvorsitzender der EKD

Von Hans-Jürgen Volk

Nikolaus Schneider möchte sich zurückziehen von seinem Amt als Ratsvorsitzender der EKD. Die Gründe hierfür sind nachvollziehbar und haben Respekt verdient: Ausschlaggebend ist die plötzlich diagnostizierte Krebserkrankung seiner Frau. Joachim Frank hat in seinem einfühlsamen Beitrag „Rücktritt eines Brückenbauers“ Worte gefunden, die der Person gerecht werden. Seine Kommentierung ist jedoch ergänzungsbedürftig, weil die Bilanz, die Schneider als prominente Persönlichkeit der EKD hinterlässt, keineswegs uneingeschränkt positiv ist. Dies ist normal und menschlich. Um unserer Kirche willen sollten die problematischen Aspekte von Schneiders Amtsführung nicht unerwähnt bleiben.

Die Diskrepanz zwischen Wort und kirchenleitendem Handeln

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Schneiders Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit und sein stetes Eintreten für sozial Schwache authentisch ist. Es gelang ihm jedoch nie, hieraus ein Programm für seine Kirche zu formulieren. Im Gegenteil: da Schneider die diversen Spar- und Umbauprozesse in der rheinischen Kirche und auf der Ebene der EKD mit trug, hat er auch Mitverantwortung für die faktische Reduzierung innerkirchlicher Sozialstandards und für den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Die Demontage des Pfarrdienstes fällt ebenso in die Zeit des Wirkens von Schneider wie der oft ohne große öffentliche Aufmerksamkeit vollzogene Verlust von Stellenanteilen oder Arbeitsplätzen bei anderen Berufsgruppen der Kirche.

Schneider kritisierte die Gier der Banken oder die Shareholder-Value-Orientierung großer Konzerne, setzte aber der wachsenden Ausrichtung kirchenleitenden Handelns an Finanzgrößen keinen Widerstand entgegen, sondern trug dieses vielmehr mit.

Als Prediger hat Schneider eine beachtliche Ausstrahlung. So hielt er z.B. im August 2010 in Altenkirchen, einer Kleinstadt im nördlichen Westerwald, eine Predigt zu 1. Joh. 4,7-12, die die Menschen bewegte und viel Zuspruch fand. Hier ein Auszug:

„Die Liebe Gottes, die uns in der Geschichte Jesu Christi offenbar wurde,

diese Liebe fragt nicht nach Konfession oder Hautfarbe,

nicht nach Weltanschauung oder Parteibuch, nicht nach Bankkonto oder gesellschaftlicher Position.

Der Himmel geht über allen auf!

In der Gewissheit, von Gott ohne Vorbedingung und ohne Vorleistungen geliebt zu sein, werden auch wir frei für ein Grenzen-überschreitendes Lieben.

Wir müssen nicht mehr fragen und nicht mehr berechnen „was bringt es mir?“.

Wir müssen nicht mehr überheblich oder unsicher auf vermeintlich angemessene Reaktionen auf unsere Zuwendung warten.

Als geliebte Gottes sind wir frei, unsere Liebe unbegrenzt zu verschenken;

mögen Skeptiker doch ruhig von „verschwenden“ oder gar von „vergeuden“ sprechen.

Von der großen Liebesgeschichte  Gottes in Jesus Christus haben wir es gelernt:

Gott ist Liebe, die nicht sortiert, die nicht misst und nicht rechnet.

Gott ist Liebe, die allen Menschen gilt.

Der Himmel geht über allen auf!“

Im Jahr 2010 gab es in der Ev. Kirche im Rheinland eine heftige Diskussion über die Einführung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens (NKF). Die Altenkirchener Predigt war implizit eine Stellungnahme gegen dieses Projekt – nämlich dann, wenn man ihre Sätze auch auf das Handeln der Kirche bezieht. Noch heute findet sich auf der NKF-Homepage der EKiR folgender Text: „Ziele: – Wirkungen, die in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden sollen und die qualitativ sowie quantitativ beschrieben und überprüft werden können. Ziele sind SMART (spezifisch und schriftlich fixiert, messbar, attraktiv, realisierbar und terminiert) zu formulieren. Die Zielerreichung muss durch Kennzahlen messbar gemacht werden.“ Der Gedanke, dass NKF als Basis kirchenleitenden Handelns die Marginalisierung von Glaube, Hoffnung und Liebe bedeutet, da sich diese nachweislich jeglicher Messbarkeit entziehen, war Schneider offenbar fremd. Denn er setzte sich nachdrücklich für die NKF-Einführung ein. Es war wie so oft, wenn man die eindrucksvollen theologischen Passagen seiner zahlreichen Berichte als rheinischer Präses mit bedenkt: Auf der Grundlage einer fundierten, an Barmen orientierten reformatorischen Theologie gab Schneider eine Richtung vor, marschierte dann aber an der Spitze des Geleitzugs seiner Kirche in entgegengesetzte Regionen.

Die Frage, was dies für die Verkündigung der Kirche bedeutet, mag sich jeder selbst beantworten. Schneider ist da beileibe kein Einzelfall. Er stellt insofern eine Besonderheit da, als er in seiner Predigt überzeugend wirkt, weil er selber authentisch bleibt. Ihm den Vorwurf zu machen, er hätte Theologie instrumentalisiert, um kirchenpolitische Ziele zu erreichen, wäre ungerecht. Wenn eine exponierte Person unserer Kirche allerdings in ihrer Theologie und in ihrer Verkündigung Aussagen entwickelt, die in Widerspruch zu den Umbauprozessen innerhalb der Kirche stehen, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, trägt sie mit dazu bei, dass Theologie hier ihre handlungsleitende Funktion verliert.

Stärken und Schwächen

Schneider würde dem vermutlich auch heute noch recht autokratisch entgegenhalten, dass dies ja alles nicht so sei. „Brückenbauer“ war er auf der Ebene kirchenleitender Gremien. Hier wirkte er mit einer eindrucksvollen Präsenz und hinhörendem Verständnis auch für kritische Positionen. Auf Kritik von außen reagierte er jedoch mit der benannten Abwehr. Dies galt vor allem dann, wenn Leitungsgremien Entscheidungen getroffen hatten. Spricht man in der Politik von „Parteisoldaten“, so war Schneider eine Art „Kirchensoldat“, der sich in die Pflicht nehmen ließ wie nach dem Rücktritt von Margot Käßmann oder der die einmal beschlossene Linie konsequent verteidigte mit der merkwürdigen Neigung, einer Art „Kanonisierung“ von Synodenbeschlüssen Vorschub zu leisten. Auch aus diesem Grund stellte er die Grundentscheidungen des Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ nicht in Frage, sondern trug diese vielmehr offensiv mit, so sehr diese auch in Spannung zu seiner eigenen Theologie standen.

Die größte Schwäche Schneiders dokumentiert aus meiner Sicht der SWR-Filmbeitrag „Der Nikolaus ist evangelisch“. Schneider muss diesem peinlichen Medienprodukt, dass manche bis heute für gelungen halten, ja seine Zustimmung gegeben haben.

Von außen kaum nachvollziehbar ist die scharfe Abwendung von Georg Immel, der als rheinische Finanzdezernent ein langjähriger Weggefährte von Schneider war. Immel wurde damals die Hauptverantwortung für den bbz-Finanzskandal zugewiesen – ein sachlich falsches und ungerechtes Urteil.

Auf der anderen Seite gibt es gerade in der rheinischen Kirche zahlreiche Menschen, die Schneider dankbar sind. Wer sich hilfe- und ratsuchend an ihn wandte, war bei ihm in der Regel ausgesprochen gut aufgehoben. Wenn Schneider durch derartige Kontakte auf Unrecht oder Bedrängnis aufmerksam wurde, konnte er mit teils unkonventionellen Methoden bemerkenswert wirksam Beistand leisten.

Vielleicht am Bedeutsamsten ist der Tatbestand, dass bei Schneider Verkündigung und persönliche Haltung absolut stimmig sind. Als Einzelperson verkörpert Schneider überzeugend, was er sagt und predigt. So ist er bis heute ein wertvoller Zeuge des christlichen Glaubens, der anderen durch sein persönliches Beispiel Kraft und Trost geben kann. Dies gilt umso mehr angesichts der persönlichen Schicksalsschläge, die Schneider verkraften musste, wie den frühen Tod seiner jüngsten Tochter oder jetzt die Krebserkrankung seiner Frau. Im Hinblick darauf ist der Rückzug von Schneider ein großer Verlust für die Evangelische Kirche in Deutschland.