Archiv des Autors: Alexander

Eine Vermögenssteuer ist eine Frage der Gerechtigkeit

Immer wieder wenn es um eine höhere Steuer auf Vermögen und Kapital geht, dann tauchen sinnentleerte Argumente auf, die an der Privilegierung des Eigentums festhalten wollen. Eine Umverteilung wäre eine Neiddebatte, die Leistungsträger könnten nicht noch stärker belastet werden oder eine Besteuerung des Vermögen schade der Wirtschaft.

Ulrich Thielmann entkräftet diese Scheinargumente in seinem Referat vor der Schweizer SP.

Das Gesamte Wirtschaftswachstum der BRD ging in der letzten Dekade zu Gunsten der Rentiers, während die ArbeitnehmerInnen im Schnitt nicht davon profitierten. Das Anwachsen des Kapitals hat erst die Übrakkumulationskrise ausgelöst. Mittlerweile schulden die beschäftigten dieser Welt den Wohlhabenden bereits 320% des weltweiten BIP. Der Druck virtuelles Geld zu vermehren stößt zwangsläufig an seine Grenzen und je mehr Geld sich vermehren will um so mehr Möglichkeiten muss es dafür schaffen. Das die Kredite unmöglich beglichen werden können, sollte jedoch jeder Mensch mit gesunden Verstand erkennen.

Selbst das Leistungsargument, das die Neoliberale Theorie so gerne bringt wendet sich gegen die aktuelle Wirtschaftssituation. Die Einkommen klaffen am freien Markt immer weiter auseinander. Aber wie lässt sich das Einkommensgefälle erklären. Tragen einige Leute an einem Tag wirklich mehr zum Erfolg eines Unternehmens bei als andere in einem ganzem Jahr? Eine Vermögenssteuer ist also keine frage des Neids, sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

Warum nicht nur Marxisten über Eigentum reden sollen

Keine Angst, Ingomar Hauchler geht es nicht um Sparkonten und Eigentumswohnungen, sondern um die Produktionsmittel.

Zuerst behandelt Hauchler die Frage, warum unsere Wirtschaftsordnung ein so hohes Potential an Innovation und Wachstum entfaltet. Viele andere Wirtschaftsordnungen basierten auch auf privatem Eigentum und dem Mark. Doch der Adel, die Handwerker und auch Manufakturen haben kein entsprechendes Wachstum entwickeln. Der rapide Aufschwung der Wirtschaft im 19. Jahrhundert war erst möglich als das Eigentum an Produktionsmitteln von seinen Verpflichtungen getrennt war.

Der Erfolg des Wirtschaftsmodells in dem Eigentum nicht mehr verpflichtet wurde dann von Philosophen zum Naturrecht erklärt und schlägt sich seit dem in vielen Verfassungen nieder.

 

Trotz aller Vorteile der vielen Güter, die wir nun genießen gibt es jedoch auch negative Effekte der Wirtschaftsordnung.

Das freie Kapital versucht so viel Gewinn, wie möglich zu erwirtschaften. Dabei ist die Motivation zur Investition der erwartete Profit und nicht die Notwendigkeit des Produkts. Daher sorgt der Markt nicht zwingend für die Erfüllung der aller Bedürfnisse und nicht für eine gerechte Verteilung.

Kapital, das nicht an Gemeinschaftsinteressen gebunden ist, lässt sich schnell in der globalisierten Welt transferieren. Damit unterstützt es Spekulationen und verschärft die natürlichen Krisen der Märkte. Zugleich sorgt der Wettbewerb der Standorte, das immer mehr Kosten der Produktion auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Der Mangel an persönlicher Haftung führt dazu, das auch moralisch nicht vertretbare Entscheidungen zu Gunsten des Kapitals getroffen werden.

Gegenüber der Bevölkerung bekommt das Kapital durch seine Dynamik eine eigene Macht. Gesetzte werden immer mit der Perspektive, was die Gewinne der Unternehmen steigert bewertet. Gleichzeitig wirkt sich das Interesse des ungebundenen Kapitals auch auf die Menschen aus. Die Freiheit ordnet sich zum Beispiel immer stärker den Anforderungen des Marktes unter, wie man bei Leiharbeiter, die rund um die Uhr auf Abruf stehen müssen sieht.

Die Nachhaltigkeit ist kein Ziel des ungebundenen Produktionseigentum. Die Ausrichtung auf Gewinnsteigerung und Wachstum verbraucht immer mehr Ressourcen. Da wir jedoch nur endliche Quellen und eine Begrenzte Regenerationsvermögen der Ökosysteme haben, führt ungebremstes Wachstum zwangsläufig zu zukünftigen Krisen.

Da sich die Unternehmen immer weiter aus der Besteuerung durch den Wettbewerb der Standorte und Steuervermeidungsstrategien zurückziehen, bleibt ein immer größerer Teil der Staatenfinanzierung auf den ArbeitnehmerInnen hängen. Die können als KonsumentInnen jedoch auch nur bis zu einer bestimmten Grenze belasten bevor sie das Wachstum belasten. Daher haben sich die westeuropäischen Staaten immer weiter verschuldet um ihre Ausgaben dennoch decken zu können.

 

Aus der ökonomischenen Analyse folgert Hauchler, das über die Eigentumsrechte neu bewertet werden müssen.Staaten müssen stärker das Gemeinwohl gegenüber dem Interesse an privatem Eigentum gewichten. Auch die Verpflichtung des Eigentums an Produktionsmitteln muss wieder verstärkt werden. Daher ist es notwendig das Eigentums an Produktionsmitteln wieder unter private Haftung zu stellen, damit es sich besser kontrollieren lässt.

 

Lesen sie hier den ganzen Vortrag um mehr über die Ursachen der Krise unseres Wirtschaftsystems zu erfahren.

Mit einem bedingingungslosen Grundeinkommen durch die Eurokrise

Einen ungewöhnlichen Vorschlag um aus der Eurokrise zu kommen macht der Sozialethiker und Ökonom Philippe van Parijs. Er schlägt vor die Bürger an den Vorteilen des Euros in Form einer Eurodividende zu beteiligen. 200 Euro sollen als bedingungsloses Grundeinkommen an jeden Bürger des Euroraums ausgezahlt werden. Finanziert werden soll das durch eine gemeinsame Mehrwertsteuer. Für seinen Vorschlag sieht van Parijs vier gute Argumente:

 

  • Verglichen mit anderen Wirtschaftssysteme ist es in der EU schwerer zu migrieren. Kulturelle und sprachliche Unterschiede erschweren es den Bürgern durch Migration einen Angleich der Lebensverhältnisse zu erreichen.
  • Die Transfehrzahlungen in der EU sind im Vergleich mit den USA sehr gering. Staaten mit wirtschaftlichen Problemen kommen so in eine Abwärtsspirale.
  • Das Dogma der Wettbewerbsfähigkeit sorgt dafür, das die Nationalstaaten ihren Wohlfahrtsstaat zu Gunsten der Wettbewerbsfähigkeit abbauen müssen. Eine Eurodividende wirkt dem Abbau der Sozialleistungen entgegen.
  • Eine Eurodividende würde jeden Bürger an dem Erfolg der Eurozone beteiligen und damit die Akzeptanz der EU stärken.

Mythos und Wahrheit über die BezieherInnen von Hartz IV

Kaum ein Vorurteil hält sich so beständig, wie das der faulen Arbeitslosen. Diakonieexperte Dirk Hauer spricht in einem Interview über die Gründe warum eine uninformierte Mittelschicht Armut so verzerrt wahrnimmt und welche Folgen das System tatsächlich auf die langfristigen EmpfängerInnen von Hartz IV hat.

Der Papst und Bruder Franziskus

Historisch gesehen war Franz von Assisi einer der stärksten Kritiker der Kirchenpolitik Innozenz III. Die zentralen Forderungen Franz von Assisi Armut, Demut, Schlichtheit widersprechen den Strukturen des Vatikans. Hans Küng sieht daher in der Wahl Franziskus zum Papst die Möglichkeit, das es zu dringend nötigen Kirchenreformen kommt. Dennoch lehrt auch das historische Vorbild die Möglichkeit des Scheiterns. Innerhalb kurzer Zeit gelang es der Kurie die Franziskaner in die eigenen Interessen einzuspannen. Ebenso befürchtet Küng, könnte es auch eine Opposition gegen eine Reform im Vatikan geben.

Lesen sie dazu Küngs Artikel: Das Franziskus-Paradoxon

Organisationsveränderungen in neoliberalen Reformprozessen

Am Beispiel der Veränderungen in traditionellen Professionen zeigten sich die Einheitlichkeit des Reformprogramms wie auch der Folgen über die Professionsgrenzen hinweg. Diese Einheitlichkeit des Reformkonzeptes betrifft auch das Organisationsmodell und die Instrumente. Sie sollen ganz unterschiedlichen Institutionen – der Kommune, dem Staat, der Schule, der Universität, der Krankenkasse, der Kirche – übergestülpt werden. Unabhängig von den individuellen Problemen und Anforderungen. Am Beispiel der Struktur des neuen Steuerungsmodells hatten wir bereits früher dargestellt. Damit geht es bei den Reformen also nicht wie oft behauptet um individuelle Korrekturen von Schwachstellen zur Verbesserung des Steuerungssystems. Sonst wären die Lösungen individuell angepasst, wie das von ExpertInnen immer wieder gefordert wird.  Und zwar nicht allein auf der Ebene der jeweiligen Institution, sondern auch auf der Ebene von Einheiten innerhalb der Institution, wie z.B. der Kirchengemeinden. Die Generallösung hat also nicht den Zweck der Korrektur und Optimierung, Es geht um eine einheitliche Veränderung, es geht um die Transformation aller Institutionen. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, dann  verbirgt sich hinter den sog. Reformen nichts anderes als eine Ideologie. Dann werden wir Fragen stellen müssen, wohin diese Ideologie die Gesellschaft führt. Und ob es für die Kirche zweckmäßig ist, in diesem Strom mitzuschwimmen.

Kapitaldeckung als Säule neoliberaler Organisationsreformen oder: die EKiR scheut keinen Konflikt

Die grundlegenden Institutionen im Staate Deutschland werden mit Beginn der sog. Reformprozesse einer grundlegenden Wandlung unterzogen.: das Bildungswesen in Schulen und Hochschulen, das Gesundheitswesen. Auch die Kirche macht mit. Dabei zeigen sich nicht nur vielfältige Parallelen, sondern ein einheitliches Muster wird sichtbar, das mit dem Stichwort „Neue Steuerungsmodelle“ bezeichnet werden kann.

In einem ersten Beitrag in den Wort-Meldungen stellten wird das Organisationsmodell in wesentlichen Aspekten dar.

Zu den neuen Steuerungsmodellen zählen auch die Doppik (bzw. NKF). Im Thema des Monats Mai haben wir Für und Wider ausführlich diskutiert. Fazit: viel Aufwand, wenig Nutzen. Vgl. dazu den Artikel des wohl bekanntesten Forschers in dieser Sache, Prof. Bogumil, Bochum im Dt. Pfarrerblatt. Wir erinnern daran, dass der Bund sich im Jahr 2009 – mit Unterstützung des IWF – gegen die Doppik/NKF und für die erweiterte Kameralistik entschieden hat. Dass selbst der Bund solche Unterstützung bedurfte mag anzeigen, wie stark der Druck auf die öffentlichen Institutionen ist, dies Reformprogramm vollumfänglich umzusetzen. Allein der Bund hat widerstanden.

Wie die Rezeptur für die institutionelle Transformation aussieht, kann bspw. im Gesundheitswesen am System der Krankenkassen abgelesen werden. Anzumerken ist, dass auch die Krankenkassen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden wie die Kirchen. Es sind genau die Themen, die aus der kirchlichen Reformdebatte hinlänglich bekannt sind.

Die entsprechenden Regelungen finden sich in SGB IV.

Rechnungswesen:

Dort wird in § 69 für das Rechnungswesen die Einführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie Kosten- und Leistungsrechnung sowie Benchmarking festgelegt. (Anmerkung: das ist durchaus in vielen Fällen hilfreich. Quantitative dürfen aber nicht über qualitative Fragestellungen dominieren. Nebenbei: solche Berechnungen des internen Rechnungswesens sind auch mit der Kameralistik darstellbar. Dazu braucht es also nicht die Doppik/NKF!).

Personalwesen:

Der Personaleinsatz ist nach diesen Anordnungen zu überprüfen und zu begründen. Dazu sind „anerkannte Methoden der Bedarfsermittlung“ anzuwenden. Ob solche „anerkannten Methoden“ auch bei der Bedarfsermittlung für Pfarrstellen – und die entsprechenden massiven, den Rückgang der Mitgliederzahl weit überschreitenden Stellenkürzungen angewandt werden? Da bei einem Anteil der Pfarrgehälter von max. ca. 20% am Haushaltsvolumen finanzielle Argumente nicht ziehen, liegt dies nahe. Dann sollten diese „anerkannten“ Methoden aber offen kommuniziert werden.

Kapitaldeckung:

Ein spannendes Thema behandelt § 80 SGB IV. Dort geht es um die Bildung von Rücklagen. Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen? Finanzieren sich die gesetzlichen Kassen nicht über die Beiträge? Ist nicht die Beitragsanpassung das notorische und adäquate Mittel dieses Systems, Schwankungen des Finanzbedarfs auszugleichen? In § 80 heißt es: „Die Mittel des Versicherungsträgers sind so anzulegen und zu verwalten… , dass ein angemessener Ertrag und eine ausreichende Liquidität erzielt werden.“ Die Praxis der Rücklagenbildung der Kassen bedeutet in der Praxis (wie in allen Formen von Kapitaldeckungen): die Beiträge müssen heute erhöht werden (sonst gäbe es ja keine Mittel, die in die Rücklagen fließen könnten), damit mit den entsprechenden Anlagen in Zukunft Erträge erwirtschaftet werden. Dies soll dann eine Rücklage leisten, die nach § 83 in Wertpapieren oder Aktien zu erfolgen hat. Angaben über das Volumen solcher Rücklagen sind nicht bekannt. Von Interesse ist, dass „Anschaffung, Verkauf, Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren für andere…ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Sinne von § 1 KWG“ ist (wikipedia). Selbstredend sind die nicht kostenlos, vgl. z.B. die Angaben einer Bank. Die Banken sichern sich also bei der Rücklagenbildung durch den Zwang der Anlageform Wertpapier in Verbindung mit dem Zwang zur Rücklagenbildung einen eigenen Anteil an Provisionen, die für die Aufgabenerfüllung der Institution nicht mehr zur Verfügung stehen. Von der Reform der Altersversorgung in der Agenda 2010 ist dies System bekannt. Die Privatisierung führt zum Zwang von Anlagen, für die Provisionen für die Banken anfallen. Mittlerweile ist u.a. durch Studien wie die von Stiftung Warentest bekannt, wie wenig effizient diese Art von „abgesahnten“ Finanzierungssystemen ist. Kurz: die Wirksamkeit der jeweiligen Institution wird geschwächt.

Spannend wird die Sache dadurch, da die Rücklagenbildung als Finanzierungsinstrument bei den Krankenkassen eigentlich nicht nötig ist – die Stellschraube sind ja die Beiträge und ggf. deren Anpassung an einen veränderten Bedarf (s.o.) – darf auf ein wichtiges systembildendes Element der Reformprozesse geschlossen werden: die Finanzierungssysteme sind so zu gestalten, dass die Banken einen Anteil des Mittelflusses der in den Institutionen vorhandenen Mittel umgeleitet wird zu den Banken. Das mögen im Einzelfall nur wenige Prozentpunkte sein, in der Summe aller betroffenen Institutionen, dürften aber ansehnliche Beträge entstehen.

Nach diesem etwas ausholenden Vorspann kommen wir nun zur aktuellen Fragestellung kirchlichen Finanzmanagements. Auch hier konstatieren wir eine verstärkte Anlagenpolitik. Rückstellungen für Pensionen waren schon immer üblich. Dabei waren große Teile umlagenfinanziert über die BfA. In der EKHN bspw. von 1975 bis 2003. Auch andere Landeskirchen haben an dieser Mischfinanzierung partizipiert. Der Ausstieg führte in der EKHN Synode nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen, sondern auch zum „Ausstieg“ des damaligen Fraktionsvorsitzenden des Landtages (SPD) Armin Klauss aus der EKHN-Synode. Seither werden die Pensionsverpflichtungen der EKHN vollständig durch entsprechende Kapitalanlagen gedeckt. Das Ziel liegt dabei um bis zu 15% über dem finanzmathematisch erforderlichen Soll (also: 115%).

Seit Kurzem werden in den Landeskirchen aber auch Rücklagen für andere Versorgungsleistungen wie Beihilfen gebildet. Begründet wird dies meist mit den Anforderungen der Doppik. Da die Kirche aber nicht nach HGB, nach dem Handelsgesetzbuch bilanzieren muss, kann sie die Regeln der Bilanzierung letztlich frei handhaben. Mehr noch: sie kann auf die Doppik selbst verzichten! Dennoch kann und sollte sie – in vernünftigem Umfang – Rücklagen bilden. Und hat dies bislang auch ohne Doppik getan! Insoweit sind solche Begründungen also nur vorgeschoben. Mehr Transparenz wäre angebracht!

Wo liegt aktuell das Problem? Das Problem liegt schlicht in dem zu leistenden Kraftakt, Mittel in erforderlicher Höhe für eine Kapitaldeckung der Beihilfeleistungen bereitzustellen. Wo Zahlen vorliegen, in der Württembergischen und Bayerischen Landeskirche etwa, bewegen sich die Summen bei ca. 60 % eines Jahreshaushaltsvolumens oder dort bei 300 bis 400 Mio. €. In Verbindung mit Regelungen, die das ambitionierte Ziel als höchstes Ziel priorisieren, kommt es zu grotesken Situtationen, wie Hans-Jürgen Volk für die EKiR beschreibt: „Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.“

Aus Sicht der betreffenden Institution Kirche ist die Verfolgung dieses Ziels in mehrfacher Hinsicht fraglich:

  1. beim Volumen der Beihilfeleistungen handelt es sich um Beträge, die von der Größenordnung immer auch vom laufenden Haushalt (also dem System „umlagenbasiert“) bestritten werden können. Wenn dies einmal nicht mehr möglich sein sollte, ist die Kirche ohnehin am Ende.
  2. Die Etablierung des kapitalgedeckten Systems führt heute zu Einschnitten (und damit zu Konflikten etc.), führt also heute zu Wirkungsverlusten der Kirche, die aus unterschiedlichen Gründen morgen ganz heftig auf die Kirche zurückschlagen werden. Wir werden dies Thema in einer späteren Ausgabe der Wort-Meldungen ausführlich behandeln!
  3. Die Kapitaldeckung birgt hohe Risiken, die die zunehmenden Börsencrashs belegen. Verlierer beim Crash 2007 waren überwiegend die meisten deutschen Landesbanken oder Banken, die im Staats- und Infrastrukturbereich tätig waren wie die HRE oder die IKB-Bank. Die meisten Landesbanken wurden danach aufgelöst oder von anderen übernommen. Die (Schulden der) HRE wurden verstaatlicht. Das könnte ein warnendes Beispiel sein und zur Frage führen, wer wohl das nächste Opfer der „Greater Fools Theory“ wird? Opfer sind ja offensichtlich überwiegend staatliche oder quasi-staatliche Einrichtungen. Man darf fragen: wer werden beim nächsten Crash die Opfer unter den öffentlichen oder quasi- öffentlichen Institutionen sein?
  4. Kapitaldeckung funktioniert logischerweise nur dann, wenn (real) Zinsen erwirtschaftet werden. Momentan liegen die Zinssätze bei derlei Anlagen aber auf einem historischen Tiefpunkt. Die Erträge erzielen kaum den Inflationsausgleich. Lebensversicherungen senken die Auszahlungsgarantien. Stiftungen kommen in Nöte wegen unzureichender Stiftungserträge.

Immerhin könnten auch ein Argument für Anlagen sprechen. Denn die Frage lautet ja: wie geht es volkswirtschaftlich weiter? Kommt ein neuer Bullenmarkt? Oder stehen die Zeichen auf Bärenmarkt? Letzteres scheint ernst zu nehmenden Experten wie etwa Prof. Fredmund Malik nicht ausgeschlossen. Er führt aus: „In einem solchen Szenario würde nicht mit Wachstum und latenter Inflationsgefahr kalkuliert, sondern mit Schrumpfung und Deflation. Man würde mit steigenden Zinsen rechnen, weil man die Möglichkeiten der Notenbanken geringer gewichten würde als die Folgen reihenweise fallierender Obligationsschuldner“ (Malik, Management, S. 142f. Das entsprechende Kapitel 8, aus dem dies Zitat stammt, werden wir in einer der kommenden Ausgaben der Wort-Meldungen mit freundlichen Genehmigung des Autors einstellen). Selbst wenn der Fall eintrifft, wiegt dies Argument dennoch nicht so schwer wie all die anderen genannten.

Resumee: die neoliberalen Reformprozesse haben institutionenübergreifende, einheitliche Kennzeichen. Dazu gehört ein spezielles Organisationsmodell, dazu gehören neue Finanzsteuerungsinstrumente, dazu gehört eine reduktionistische Personalpolitik (Personalabbau), und dazu gehören kapitalgedeckte Finanzierungsformen. Von letzteren profitieren mit Sicherheit die Banken, weniger die Kunden. Jedenfalls in den bekannten Beispielen.

Kirche schwimmt im Strom dieser neoliberalen Reformprozesse. Dass dieser Weg falsch ist, erkennt man daran, dass es überall in der Kirche knirscht. Richtiges, professionelles Management erkennt man aber daran, das man es genauso wenig spürt „wie einen perfekt passenden Schuh.“ (Malik, Management, S.65).

Nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer, auch die Mitglieder der Kirche haben an die Kirche andere Erwartungen als die billige Kopie von Downsizing-Konzepten aus der Wirtschaft oder – mittlerweile – anderer Institutionen. Man lese dazu den folgenden Beitrag des Finanzkirchmeisters Schröder der EKiR.

Was wäre die Alternative für die Kirche? Die Alternative besteht darin, ein individuelles, auf die spezifische Lage der (protestantischen) Kirche zugeschnittenes Reformkonzept. Keine Einheitslösung für alle Institutionen, die nachträglich an individuelle Bedürfnisse angepasst wird. Das wäre so als, ob man beim Schuhkauf den Fuß an den Schuh anpasst. Das wäre ein schmerzhafter Prozess. Zeugen solcher schmerzhafter Prozesse sind wir gerade auch in der Kirche. Bei einer Fortsetzung droht der Fuß der Kirche verstümmelt zu werden, bis er in den Schuh „Neoliberales Reformkonzept“ endlich hineinpasst.  Nach 15 Jahren „Reformen“ wird es daher Zeit, innezuhalten. Es braucht ein Moratorium. Und es braucht eine ehrliche, schonungslose Bilanz. Danach muss man sich der Mühe unterziehen, ein eigenständiges kirchliches Reformkonzept zu entwickeln. Dazu nur wenige Leitgedanken: Reformen dürfen nicht wie bisher hauptsächlich an Finanzgrößen orientiert sein, sondern an den Menschen. In der Kirche geht nicht nur oder primär um Kapital. Es geht in der Kirche um die ‚3 K‘: es geht um Köpfe, Konzepte, Kapital – und zwar in dieser Reihenfolge. Dieses Managementkonzept der 3 K schafft Platz, es verlangt geradezu nach der Basis der Theologie. Denn der Mensch steht an erster Stelle. Management und Theologie passen dann, aber auch nur dann, wieder gut zusammen.

 

Friedhelm Schneider

Pfarrer für die EKHN aus EKBO und Sachsen

In der jüngsten Ausgabe des Amtsblattes der EKHN 8/2013 werden drei Neuzugänge in der EKHN bekannt gegeben. Sie werden wie es heißt „unter Fortdauer des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses gemäß § 79 PfDG EKD in Verbindung mit § 80 PfDG EKD in den Dienst der EKHN versetzt“. Zwei der Kollegen stammen aus der EKBO, einer aus der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Die Pfarrerinnen und Pfarrer der EKHN werden sich über die Verstärkung angesichts schwacher eigener Studentenzahlen und Entlastung durch Nachwuchstheologen freuen.

Ärztemangel auch in der Schweiz

Auch grosse Spitäler kämpfen zunehmend mit Problemen

Die Rede vom Ärztemangel ist nicht neu. Immer stärker erfasst das Thema nun aber auch die grossen Spitäler in der Stadt Zürich. Die zuständigen ärztlichen Direktoren sehen gerade auf leitender Ebene Probleme beim Besetzen offener Stellen.

Die Lage ist schwierig. Das meint Andreas Zollinger. Er ist ärztlicher Direktor am Stadtzürcher Triemlispital…

An der ganzen Situation frustrieren Zollinger insbesondere zwei Dinge. Erstens glaubt er, dass die Politik den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat. Das werde gravierende Folgen haben: «In fünf Jahren werden wir darüber sprechen müssen, welche Leistungen wir mit dem vorhandenen Personal überhaupt noch erbringen können.»

Das EKD-Gericht macht eine Frau zum zweiten mal zum Opfer

Das EKD-Gericht hat beschlossen gegen einen ehemaligen Pfarrer, der eine Konfirmandin sexuell missbraucht hat angesichts seines Alters keine dienstrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. (Wir berichteten). Das Urteil hat für die untergeordneten Gerichte eine richtungsweisende Funktion. Nicht nur das Urteil an sich, wurde als Fehlurteil kritisiert. Auch die Art, wie es zu Stande kam ist bedenklich.

Obwohl die Frau, die nach langer Zeit den Mut aufbrachte das Verbrechen öffentlich zu machen als Zeugin geladen war, konnte sie nicht aussagen. Der Prozess war schon vor ihrer Ankunft entschieden. Ein Grund für Theologen und Journalist Christoph Fleischmann die Frau nun öffentlich zu Wort kommen zu lassen.

Lesen Sie hier den Radiobeitrag, welche Konsequenzen der Prozess hat und warum sich das Opfer zum zweiten mal von der Kirche alleine gelassen fühlt.