Archiv für den Monat: November 2014

Konfessionslose – Residual des Christentums oder Stütze des neuen Atheismus ? von Prof. Gert Pickel

Abstract
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung der Konfessionslosigkeit in Deutschland und seinen Gründen. Mittels empirischer Belege wird bestimmt, welche Typen der Konfessionslosigkeit existieren und inwieweit sie Ausdruck eines ‚Neuen Atheismus‘ oder aber exemplarisch für einen eher unspektakulären sozialen Bedeutungsverlust von Religion sind. Konfessionslose erweisen sich dabei als eine plurale Gruppe mit teils divergierenden Interessen. Nur ein Teil sind überzeugte Atheisten, öfter handelt es sich um Menschen, bei denen Religion schon lange keine bedeutende Rolle im Lebensalltag mehr spielt. In dieser Hinsicht sind sie ein Kennzeichen der in modernen Gesellschaften voranschreitenden Säkularisierung. Selbst wenn Konfessionslose nicht unbedingt ‚religiös unmusikalisch‘ sein müssen, bereiten sie durch den von ihnen vollzogenen Traditionsabbruch (religiöses Wissen, religiöse Riten) die Grundlage für eine weiter gehende Säkularisierung und Distanzierung vom Christentum.

Aus dem Artikel:

… Wenden wir uns noch einmal etwas genauer der deutschen Entwicklung zu. Hier muss man zwischen West- und Ostdeutschland unterscheiden…Anders als erhofft, kamen die 1970 einsetzenden Verlustbewegungen der beiden westdeutschen Großkirchen somit bis heute nicht zum Halt…

Diese Erosionsprozesse der Mitgliedschaft in den beiden christlichen Großkirchen drücken sich sozialstrukturell in Altersdifferenzen hinsichtlich der Mitgliedschaften aus: So ist die Zahl der Konfessionslosen in den jüngeren Alterskohorten deutlich höher als in den älteren Alterskohorten. Damit wird auch etwas über die zeitliche Entwicklung ausgesagt und damit über ihre Folgen und die Zukunft: Es handelt sich bei der Zunahme der Konfessionslosigkeit um einen generationellen Wandel. In jeder nachwachsenden Generation finden sich in geringerer Stärke Kirchenmitglieder und in größerer Zahl Konfessionslose. Eine Umkehrung dieser Entwicklung erscheint angesichts der hohen Stabilität dieses Prozesses unwahrscheinlich. Auffällig ist dabei, dass die höchste Zahl der Konfessionslosen in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 zu finden ist. Doch Hoffnungen auf jugendliche Kirchrückkehrer sind verfrüht…

…So ist unter den Konfessionslosen auch die Zahl derjenigen, welche einen jugendkulturellen oder hochkulturell-jugendkulturellen Lebensstil verfolgen, erheblich über dem bei evangelischen Kirchenmitgliedern. Gerade die Kombination aus höherer Bildung und Jugend erweist sich für die Abwendung von der Kirche als ungünstige Mischung…

Zweifelsohne kann die Säkularisierung mit dem damit einhergehenden Abbruch religiöser Sozialisation für diese Entwicklung verantwortlich gemacht werden. Doch andere Begründungen sind damit nicht vollständig ausgeschlossen. Und wie stark ist die Abneigung oder Ablehnung gegenüber der Kirche ausgeprägt? Entsprechend stellt sich die Frage, mit welchen Typen von Konfessionslosen man es zu tun hat…

Der vollständige Text im Netz.

Buchhinweis: Unter dem Titel „Konfessionslosigkeit heute“ erschien 2014 der Sammelband einer interdisziplinären Tagung internationaler Wissenschaftler in Jena 2013. Hrsg. Miriam Rose und Michael Wermke. Neben den Herausgebern finden sich Beiträge von Prof. Uta Pohl-Patalong, Prof. Michael Domsgen, Prof. Gert Pickel u.a.

Synode der ELK Sachsen: Bischof Bohl äußert Zweifel an den Strukturreformen angesichts anhaltenden Rückgangs der Gemeindegliederzahlen.

Zu Beginn des zweiten Sitzungstages hielt Landesbischof Jochen Bohl seinen diesjährigen Bericht vor der Landessynode, der zugleich der letzte seiner Amtszeit ist. Er widmete sich in diesem Bericht der Frage der zurückgehenden Gemeindegliederzahlen. Die Entwicklung in den zurückliegenden Jahren stelle für ihn und die Landeskirche eine permanente Herausforderung dar. Leider sei es nicht nur eine vorübergehende Schwächephase, sondern ein Trend, der bereits seit 90 Jahren anhält, so Bohl. Dies sei schmerzhaft in einer Gesellschaft, die von Wachstumsdenken geprägt ist…
„Es ist daher von höchster Bedeutung, dass wir uns nicht nur mit Strukturfragen beschäftigen, sondern darüber reden, wie wir geistlich mit der Situation umgehen“, sagte Bohl. Es sei eine geistliche, spirituelle Frage, wie in der Kirche mit Berufsmüdigkeit, Burn-out, Erschöpfung und Vergeblichkeit umgegangen werde… Zur Quelle (dort auch der Wortlaut des Berichts des Landesbischofs).

EKiR: Die Zustimmung der SuperintendentInnen zu den „Reformen“ in der EKiR bröckelt: Ein Querschnitt durch die Berichte auf den Herbstsynoden der Kirchenkreise der EKiR.

NKF, Verwaltung, Sparkurs: das sagen die SuperintendentInnen
Ein Querschnitt durch Berichte von Superintendentinnen und Superintendenten der EKiR.

Beitrag vom 17. November 2014 von Andreas Reinhold

Der November ist traditionell der Monat der Herbstsynoden in den Kirchenkreisen der EKiR. Und zu den festen Riten der Kreissynoden gehören die Berichte der Superintendenten bzw. der Superintendentinnen. Die fallen in Ausführlichkeit und Stil natürlich sehr unterschiedlich aus. Inhaltlich kommt man aber in diesem Jahr an bestimmten Themen nicht vorbei. Dazu gehören u.a. auch das Neue Kirchliche Finanzwesen (NKF), die Verwaltungsstrukturreform und die aktuellen Sparvorschläge der Landeskirche.

Zum Überblick bei Andreas Reinhold, KirchenBunt.

Kommentar F.S.: Erstaunlich, dass selbst SuperintendentInnen angesichts der Resultate der der EKiR verordneten Schock-Strategie mittlerweile ihre Zweifel nicht mehr verhehlen.

Was die Kirche vom Fernsehn lernen kann I: Qualität kostet Geld

Das Fernsehen vereint momentan extreme Gegensätze, die nebeneinander existieren. Biedere Konzepte, die sich in Dauerschleifen wiederholen und kreative, mitreißende, neue Stoffe. Auf der einen Seite kaputtgesparter Diletantismus und auf der anderen große Investitionen mit hoher Qualität.

Es gibt strukturelle Gründe warum sich das Fernsehen parallel unterschiedlich entwickelt. Dabei lassen sich interessante Parallelen zur Lage der Kirche ziehen. Es zeigt sich die Kirche hat die Wahl welchen Kurs sie einschlägt. Es lohnt sich daher das Fernsehprogramm genauer zu betrachten.

In einer Serie werde ich 9 Thesen zur Zukunft von Kirche und Fernsehen besprechen.

  1. Qualität kostet Geld
  2. Die Quote ist eine Form der Geiselhaft
  3. Man muss seinem Produkt vertrauen
  4. Gebt den Kreativen die Macht
  5. Es gibt eine Sehnsucht nach großen Erzählungen
  6. Die feste Programmierung ist ambivalent
  7. Erfolg ist da, wo man ihn nicht sucht
  8. Wer seine Kunden/Gemeinde kennt hat Erfolg
  9. Versprechen Sie keine Wunder

Qualität kostet Geld

In Europa scheint es eine Antwort auf die überall grassierende Krise zu geben: Sparen. Doch der Sparreflex führt noch tiefer in eine Krise hinein.

Auch das Fernsehen in Deutschland leidet unter den Nachwirkungen der Bankenkrise. Die Werbeeinahnen für die privaten Sender gingen zurück. Die Sendechefs fanden eine Lösung nach europäischer Manier. Das Programm musste so billig werden, dass selbst bei sinkenden Werbeeinahnen keine Verluste entstehen. Gespart wird vor allem an der Qualität. So verzichtet das Fernsehen auf früher selbstverständliche Handwerker im Produktionsprozess. Statt SchauspielerInnen treten Laien auf und Berufsgruppen wie Beleuchter, Tontechniker und Requisiteure sind nicht eingebunden. Das Produkt ist eine Mischung aus Dilettantismus und Überdramatisierung, die ich keine zehn Minuten ertrage.

Das Fernsehen verkauft es als lebensnaher und freut sich, dass jede Werbung die Produktionskosten trägt. Das Zuschauer seit Jahren fern bleiben, erklären die Programmchefs mit den geänderten Sehgewohnheiten und dem Internet.

Ein zweites Problem ist durch die Struktur gegeben. Es geht nicht mehr um die Quote oder den Marktanteil, sondern um die Rendite. Das wirtschaftliche Denken ist extrem kurzfristig veranlagt. Die Gewinnerwartung von heute ist wichtiger als die Kundenbasis von morgen. Die große Mehrheit der privaten Fernsehsender gehören Investoren, die wollen von fast jedem Programmplatz etwa 15% Rendite erwarten. Im Jahr kommen gut 300 Millionen zusammen, die dem Fernsehen entzogen werden.

In den USA hat sich zum Glück seit längerem ein alternatives System etabliert. Dort hat das Bezahlfernsehen einen wesentlich größeren Marktanteil. Zuschauer zahlen monatlich einen Betrag bekommen im Gegenzug werbefrei ihre Serien und Filme geliefert. Wer dort seine ZuschauerInnen mit niedriger Qualität vergrault, schadet sich kurz und langfristig. Alleine damit Menschen sich entscheiden für Fernsehunterhaltung freiwillig zu zahlen, muss das Programm unterhaltsamer sein als die kostenlose Konkurrenz. Gleichzeitig ist der Weg zu höheren Renditen zur Zeit die Expansion. Mehr ZuschauerInnen bedeuten mehr Einnahmen. Doch die werden nur ein Abonnement abschließen, wenn die Produkte qualitativ überzeugen.

Die Bezahlsender in den USA haben daher keine Alternative zu spannender und hochwertiger Unterhaltung. Und man hat verstanden, dass sich dieses Ziel nur mit einem entsprechendem Aufwand erreichen lässt. Eine Staffel der viel gelobten Serien kostet um die 100 Millionen Dollar. Eine einzelne Folge spielt finanziell in einer Liga mit unserem Tatort.

Der Erfolg gibt diesem Modell Recht. Viele Serien können ihre Investitionskosten wieder einspielen und werden in den KritikerInnen gelobt.

Natürlich gibt es mehrere Faktoren, die den Erfolg vieler neuen Dramaserien erklären. Aber die Qualität ist ein bedeutender Anteil.

Für die Kirche lässt sich auch schon aus den finanziellen Aspekten lernen. Sparprogramme, die an der Qualität ansetzen führen zu einer schlechteren Bindung der Kunden. Dieses erkrankte System kann sich eine Weile lang dennoch durch seine marktbeherrschende Struktur durchsetzen. Die wachsende Masse der Unzufriedenen birgt dann aber ein hohes Wechselpotential. Im Fernsehen zeigt sich das schon lange am Erfolg von Streamingdiensten, wie Netflix, Maxdome oder Amazone Prime. Die Momentanen Einsparungen für die Pensionsfonds saugen an vielen Orten benötigtes Geld aus dem System. Natürlich muss auch für die Pensionsansprüche vorgesorgt werden. Die Landeskirchen drohen nicht nur Verluste bei Mitgliedern mit geringer Kirchenbindung. Auch die bisher stark mit der Kirche verbundenen können mit entsprechender Enttäuschung zu dem Heer der Wechselwilligen wachsen. Schon jetzt sind evangelikale eine ernstzunehmende Alternative. Rhetorisch gut geschulte Prediger, eigene Bands und hervorragend geplante Events wirken auf viele ChristInnen anziehend. Zeit und Persönliche Ansprache bewegen viele dafür freiwillig mehr als nur die Kirchensteuer zu investieren.

Der Ansatz der Bezahlsender lässt sich nicht auf die ganze Kirche übertragen. Das Potential der unzufriedenen Engagierten kann dennoch konstruktiv genutzt werden. Dazu muss aber den kleinsten Einheiten den Gemeinden mehr Autonomie zugestanden werden. Investitionen in Qualität und Angebote müssen für die Interessierten ermöglicht werden.

Dagegen kann man einwenden, dass es zu einer Zweiklassenkirche führt, in der Leistungen gegen Geld oder Zeit erbracht werden. Doch streng genommen gibt es schon immer eine solche Spaltung. Einige ChristInnen nehmen schon jetzt nur die Kasualien und wenige Festgottesdienste in Anspruch, während andere mehr Angebote wahrnehmen.

Wichtig ist, dass es keine absolute Bezahlschranke geben darf. Zusätzlich ermöglichte Leistungen dürfen keine Exklusivität werden. Das einzige Kriterium für eine Bezahlkirche muss sein, dass es auch der Allgemeinheit zu Gute kommt. Genau wie das Bezahlfernsehen neue Impulse setzen kann und damit allen anderen Programmen zu gute kommt, muss auch die Kirche es verstehen die Arbeitsergebnisse zu demokratisieren.

Gleichzeitig muss die Kirche sich auf die Qualität ihrer Arbeit konzentrieren. Die Kirchensteuern nehmen fünf Milliarden ein. Damit lassen sich unsere Landeskirchen mehr mit den öffentlich Rechtlichen, als mit Privatfernsehsendern vergleichen. Beide haben einen Auftrag, der die allgemeine Finanzierung rechtfertigt. ARD, ZDF und die Dritten sollen ein ausgewogenes Programm mit Unterhaltung und Information für alle bereitstellen. Der Auftrag der Kirche ist es zu verkündigen. Diese Basisleistungen müssen qualitativ gut abgedeckt werden. Sonst ziehen Kirche und öffentlich rechtliche sich die Grundlage ihrer allgemeinen Abgabe unter den Füßen weg.

Wenn ich im Kino oder bei einem Bezahlsender gerne für Filme bezahle, dann ist es weil ich ein gutes zusätzliches Angebot wahrnehme und unterstütze. Viele tolle Filme werden nur dann prouziert, wenn sie im Kino, Fernsehen oder Internet auch Personen finden, die bereit sind dafür zu bezahlen. Diese Plattformen sind wichtig zur Entwicklung neuer Ideen und Konzepte. Es ist nur schade, wenn sie dann das große Fernsehen nicht übernehmen will.

Auch in der Kirche gäbe es Räume um mit qualitativen Innovationen zu experimentieren. Wenn eine Gemeinde die Ressourcen und die Ideen hat, sollte sie damit experimentieren können. Neue Formen der Verkündigung, der Gemeinschaftspflege, der Öffentlichkeitsarbeit werden ausprobiert. Laden Sie nur alle dazu ein und das wichtigste: Teilen Sie die Erfahrungen und Impulse mit den anderen Gemeinden. Kulturell erschaffene Werte wachsen, wenn man sie teilt!

Wenn Sie sich mit dem Thema Fernsehen etwas befasst haben, werden Sie feststellen, dass meine Argumentation die öffentlich rechtlichenaußen vorlässt. Hier gibt es trotz Krise kein Problem mit der Finanzierung. Der Rundfunkbeitrag erwirtschaftet etwa 7,5 Milliarden €. Dennoch gibt es auch viel Schrott. Darauf und was die Kirche lernen kann gehe ich nächste Woche in „Die Gefangenschaft der Quote“ ein.

Das Spaltpotenzial von Fusionen: Streit um den Umbau des Landeskirchenamts in der Nordkirche

„Es wächst zusammen, was zusammen gehört“, hatte Willi Brandt, der populäre Alt-Kanzler, den Mauerfall vom 9. November 1989 kommentiert. Brandt war ein genialer Politiker, mit der Prognose „es wächst zusammen“ irrte er. Denn ist durch diese „Fusion“ in 25 Jahren ein homogenes Ganzes gewachsen? Eine der Schwierigkeiten von Fusionen besteht darin, die Menschen dafür zu gewinnen und mitzunehmen. Und das ist ganz offensichtlich missglückt – trotz der anfänglichen Euphorie.

Wie viel schwieriger sind Fusionen, die ohne vorherige Begeisterung ins Werk gesetzt werden sollen und bei denen als Ersatz so etwas wie Einsicht erst geweckt werden muss. Dieser Aufgabe sieht sich die Kirche bei ihren mannigfachen Fusionsprojekten konfrontiert, will sie die Menschen dabei mitnehmen. Und das muss man. Denn ohne Menschen Kirche sein – das mag Kirche nun doch nicht wirklich. (Auch wenn die EKD, die sich als Kirche gerade anerkennen ließ, einen gewissen Verdacht schürt). Als Überzeugungsargument in Fusionsfällen hat man sich auf das Argument der Kostensynergien geeinigt. Bei genauerem Hinsehen, löst sich diese Argumentation freilich nur zu schnell in Wohlgefallen auf. Wie z.B. gerade in der Nordkirche hinsichtlich der Fusion der früheren Landeskirchen Nordelbien, Mecklenburg und Pommern. Der äußere Anlass ist ein Streit um den Umbau des Landeskirchenamts in Kiel:

„Der mecklenburgische Synodale Christoph de Boor warf der Kirchenleitung einen „unsensiblen Umgang“ vor. Das Thema habe mit der Fusion (der Landeskirchen, Anm. FS) zu tun.“

„Er könne den Gemeinden in Mecklenburg einen solch teuren Umbau (des Landeskirchenamtes, Anm. FS) nicht verständlich machen, ergänzte der Bauingenieur Wulf Kawan, Mitglied der Kirchenleitung.“ Zur Quelle.

Die ambivalenten Wirkungen von Fusionen sind zwar aus der Praxis wie der Wiedervereinigung oder schon früher den Gebietsreformen der ausgehenden 60iger Jahre hinlänglich bekannt. In Kirchengremien lässt man sich davon eher nicht beeindrucken und erklärte Fusionen als Reformmaßnahmen für sakrosankt. Wobei allerdings die subjektive Überzeugung entsprechend vortragender Redner und die objektive Argumentationskraft nicht selten weit auseinanderklaffen. Entsprechende wissenschaftlich-unabhängige Studien aus dem kirchlichen Bereich sind noch immer Fehlanzeige. Greifen wir daher – im Wissen auf Differenzierungsbedarf bei der Übertragung – auf Studien im Unternehmensbereich zurück:

„Bei einer Untersuchung von 103 Zusammenschlüssen mit deutscher Beteiligung der Jahre 1994 bis 1998 wurde festgestellt, daß nur in 44% der Fälle eine positive Umsatzentwicklung resultierte und gar nur in 21,5% der Fälle eine Börsenwertsteigerung erzielt wurde. Die Forscher erklären das Ergebnis mit einer Fokussierung der fusionierenden Unternehmen auf Kostensynergien statt auf innovationsgetriebene Wachstumssynergien. Die Chancen, daß Fusionen erfolgreich sind und Gewinnsteigerungen nach sich ziehen, stehen offenbar nicht besser als beim Münzwurf (…).“ Quelle: Kleinert, J.; Klodt, H.: Megafusionen. Trend, Ursachen und Implikationen. Tübingen 2000, S. 96

Was könnte eine lernfähige Kirche aus derartigen Studien generell lernen?  Auch wenn es in der Kirche nicht um Gewinnsteigerungen im monetären Sinn geht, besteht auch hier in offizieller Lesart die Absicht der wirtschaftlichen Optimierung. Und zwar durch Reduktion von Kosten und also durch Kostensynergien. Die Unternehmensstudie zeigt allerdings auf, dass allein schon diese Tatsache Teil des Problems ist. Wer nämlich bei Fusionen auf Kostensynergien setzt, setzt aufs falsche Pferd! Und das auch, wenn sich rechnerisch tatsächlich gewisse positive Effekte erzielen ließen. An dieser Stelle muss man einen Augenblick verweilen und den Blick auf die Strategie der von der EKD ausgehenden Finanzpolitik wenden, die ausschließlich auf Spareffekte setzt. Die also die ideologische Basis auch der flächendeckenden Fusionsprojekte darstellt. Das Beispiel zeigt und die Studie unterstreicht:  dieser Fokus der Finanzpolitik ist fatal einseitig und fatal falsch. Mit welchen Ergebnissen, kann man an etlichen der sog. Reformmaßnahmen mittlerweile empirisch belegen.

Erfolgversprechend nach der o.g. Studie sind in der freien Wirtschaft nicht Kosten-, sondern Wachstumssynergien. Aber auch (lineare) Wachstumsziele bergen in komplexen Systemen wie der Kirche eine bisher in den Kirchenleitungen zu wenig wahrgenommene Problematik. Immerhin hat die wissenschaftliche Diskussion im Gefolge des Impulspapiers „Kirche er Freiheit“an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen.  Als Resultat kann man festhalten: zur Fata morgana der Kostensynergien gesellt sich in komplexen Systemen das Wunschbild von einfach-linearen Wachstumssynergien. Angesichts dieses Befundes überrascht es nicht, dass es naturgemäß schwer ist, Menschen in den Gemeinden und Gremien von Fusionen zu überzeugen. Und dass der Grund dafür nicht etwa (von vornherein) an den gerne der Uneinsichtigkeit bezichtigten Adressaten solcher Vorhaben liegt. Wenn sich aber die vermeintlichen Kostensynergien wie im speziellen Falle der Nordkirche erschwerend als Kostensteigerungen (und den üblichen, hier gar nicht erwähnten zusätzlichen Bilanzverlusten) entpuppen, dann bewirken solche Fusionen Frustrationen auch bei zuvor geneigten und gutwilligen Betrachtern, die die Kirchenmitglieder gemeinhin sind. So unterminiert man im fortgesetzten Fall das Vertrauen in die eigene Leitungskompetenz. Und das nicht nur in der Nordkirche.

Immerhin hat man dies bei den Landeskirchen auf dem Territorium von Niedersachsen schon erkannt und die dort forcierten Fusionsverhandlungen abgeblasen. Und in der Nordkirche wagt man derartige Kritik nun auch schon in der Kirchenleitung selbst. Und scheut nicht, diese Kritik auch öffentlich zu machen. Das ist eine beachtliche Entwicklung, auch wenn man die gewagte Grundsatzentscheidung der Landeskirchenfusion bei völlig anders gearteter Kirchenkultur zwischen Ost- und Westkirchen wohl nicht rückgängig wird machen wollen.  Friedhelm Schneider

 

Neue Lust auf Leitung in der EKD II: Peter Barrentstein, Führungsakademie der EKD, sieht keinen Reformstress und fordert Bezahlung der Pfarrer nach Leistung.

13.11.14, Gespräch mit Peter Barrentstein, Führungsakademie der EKD, Berlin/ McKinsey
mit Wolfgang Thielmann, Christ & Welt

Leider steht der Text nicht im Netz. daher hier wenige, sprechende Zitate. Die Personalführung der EKD hat einen Namen: Peter Barrenstein/FAKD. Das erklärt das Gewicht der folgenden Aussagen:

…C & W: Sollte ein erfolgreicher Pfarrer mehr Gehalt bekommen?

Barrenstein: Ja, selbstverständlich. Oder eine reizvolle Aufgabe. Die Wirtschaft
achtet darauf, gute Leute zu fördern und Leistungsbereitschaft zu belohnen…

C & W: Die Theologieprofessorin Isolde Karle sieht die evangelische Kirche im
Reformstress. Sie hat ein Buch gegen den Erneuerungsprozess geschrieben…Barrenstein: Ich sehe keinen Reformstress…

C & W: Wie kann die Kirche Pfarrer unter Handlungsdruck setzen?

Barrenstein: Sie muss Pfarrer stärker nach Leistung bezahlen…Der typische Pfarrer bekommt ja gar nicht mit, wie gut oder schlecht seine Predigt ist…

C & W: Gehen Sie regelmäßig zum Gottesdienst?
Barrenstein: Ich gehe selten in Gottesdienste…

Neues Zentrum „Inspiratio“ zum Schutz kirchlicher Beschäftigter vor Burn-out von EKHN, EKvW und Hannoverscher Lk.

Im Kloster Barsinghausen bei Hannover haben die evangelischen Landeskirchen Hessen-Nassau, Hannover und die Ev. Kirche Westfalen das „Zentrum inspiratio“ „gegründet, das kirchliche Beschäftigte vor Burn-out schützen soll. Das gemeinsame Projekt soll zunächst Pfarrerinnen und Pfarrern, später aber auch anderen kirchlichen Mitarbeitenden in Krisensituationen helfen, neue Möglichkeiten der Alltags- und Berufsbewältigung zu finden:

Professionelle Auszeit für Hauptamtliche in der Evangelischen Kirche
Hauptamtlich in der Kirche zu arbeiten, ist vielseitig und erfüllend, kostet aber auch viel Kraft. Berufliche Belastungen oder persönliche Krisen können an die Grenze zur Erschöpfung führen. inspiratio gibt Ihnen die Möglichkeit, sich in geschütztem Rahmen und mit fachkundiger Begleitung mit Ihrer Situation auseinanderzusetzen. Hier haben Sie Zeit, die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen. » …

Kloster zwischen Stadt und Wald

inspiratio ist ein Ruhepol – auch geographisch. Unsere Einrichtung befindet sich im Kloster Barsinghausen, zu dem auch ein schön gestalteter Klostergarten gehört. Die ausgedehnten Waldflächen des Deisters liegen gleich vor der Tür…
Die lange Tradition des Ortes führt seit 1996 eine Evangelische Kommunität im klösterlichen Rhythmus von „Bete und arbeite“ (ora et labora) fort. Die Kommunität ist Teil der Diakonischen Schwesternschaft Wolmirstedt e.V. – mit neu hinzugekommenen Konventualinnen bildet sie seit 2013 den Klosterkonvent, in dem auch Einzelgäste willkommen sind. Die Mitte und Kraftquelle des Lebens im Konvent sind Gebet und die Feier des Heiligen Abendmahls. Der Tageslauf wird vom Rhythmus der Tagzeitengebete bestimmt.

Hier kommt hin wer will. Oder auch hier.

Synode EKM: „Kalte Enteignung“ von Gemeinden. Kritik an Verpachtungssystem der mitteldeutschen Kirche

21.11.2014 — epd

Magdeburg/Erfurt (epd). Bauern und Pfarrer haben das Vergabesystem für Pachtland der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) scharf kritisiert.

Die jetzige Regelung störe den Frieden in den Gemeinden, sagte der Präses der Synode des Kirchenkreises Egeln in Sachsen-Anhalt, Erik Hannen, der «Magdeburger Volksstimme» (Donnerstagsausgabe). Stattdessen sollten die Gemeindekirchenräte bei der Vergabe eingebunden werden. Die Kirchengemeinden seien Opfer einer «kalten Enteignung» geworden, beklagte Hannen… Mehr dazu.

Bleibend aktuell: UNO mystica. Zum 40. Todestag von Dag Hammarskjöld

von Gotthard Fuchs

Längst ist es an der Tagesordnung, Blauhelme der Vereinten Nationen in politische Krisengebieten der Welt zu schicken – aber kaum jemand weiß noch, wer der Erfinder dieser Friedenstruppen war. Wenn Verbrecher vor das Haager Kriegstribunal geschafft werden, macht sich durchaus Genugtuung breit (auch wenn der amerikanische Wirtschaftsdruck im Hintergrund, wie bei der Auslieferung Milosowitschs, schwere Fragen aufwirft, denn was ist mit den Kriegsverbrechern z.B. im eigenen, im atlantischen Haus?) Kaum einer aber weiß, wer diese Idee einer weltweiten Gerichts- und Rechtsinstanz politisch durchzusetzen anfing. Dag Hammarskjöld, von 1953 bis zu seinem Tod 1961 Generalsekretär der UNO, war umgetrieben von einer kosmopolitischen Weltinnenpolitik: überstaatliches Recht und überstaatliche Macht, und das entschieden im Einsatz für die armen und ärmeren Völker und Menschen. Der Schwede aus adeligem Haus, hochbegabt und international viel erfahren, zuletzt stellvertretender Außenminister seines Landes, ist „ein wahrhafter Weltbürger – mit einer interkulturellen Philosophie“ (143) und Spiritualität, ein Globalprayer. Ihm ging es, im ganzheitlichen Sinn, um das Weltkulturerbe (204), um Frieden und Gerechtigkeit für alle, um eine verbindliche Menschheitsethik. Von Globalisierung ist heute viel die Rede – Globalisierung aber von was?

(aus dem Jahr 2011)

Gehen Sie in der linken Leiste auf Spiritualität/Mystik
und beim folgenden (2.) Fenster auf: UNO mystica. Zum 40. Todestag von Dag Hammerskjöld

Staat und Religion: Verfassungsgericht bestätigt die Sonderrechte der Kirchen im Arbeitsrecht

20. November 2014,

Zweite Ehe – Kirche durfte Chefarzt kündigen

Karlsruhe. Weil ein geschiedener Düsseldorfer Mediziner erneut heiratete, entließ ihn die katholische Klinik. Das ist rechtens, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Von Reinhold Michels und Frank Vollmer.

zum Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –


2. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen. Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt.

Zur Quelle.